Kleinwagen mutieren immer mehr zu Alleskönnern im kompakten Gewand. Zwar kann man sie mit Einstiegs-Motorisierung und Basisausstattung nach wie vor um rund 12.000 Euro kriegen, doch als Top-Variante oder gegen Aufpreis sind auch Luxus-Features und Assistenzsysteme aller Art erhältlich. Das beweisen unsere Test-Probanden, die fast durchwegs im höchsten Ausstattungsniveau antreten.
Etwa der Citroën C3, der mit extravagantem Aussehen und leichter SUV-Anmutung französisches Flair in den Vergleich bringt, den er als „Shine“ mit 110 Benziner-PS bestreitet. Der Kia Rio gibt sich optisch ruhig und zeitlos. Ein paar zusätzliche Längen-Zentimeter verstärken den erwachsenen Auftritt unseres 120-PS-Boliden in „Gold“-Ausstattung.
Der Nissan Micra begnügt sich mit 90 PS aus 0,9 Litern Hubraum, dafür wirkt er wild wie ein Ninja und trumpft mit der zweithöchsten Ausstattung „N-Connecta“ auf. Und der VW Polo? Cool, abgeklärt, souverän, in seiner Grundkonzeption allerdings schon acht Jahre alt. Im Oktober kommt der Nachfolger, bis dahin muss der Altmeister die Youngsters auf Distanz halten. Im Test tritt er als 90 PS starker „Highline“ mit sportlichem „R-Line“-Paket an.
Motor & Getriebe
Downsizing lautet die Motoren-Parole bei unseren Kleinen, Dreizylinder-Turbos mit rund einem Liter Hubraum sind das Maß der Dinge. Nur der Polo setzt noch auf vier Töpfe, die allerdings – besonders im Kaltlauf – nicht viel anders als drei Zylinder klingen. Alle rattern also kernig vor sich hin, ohne dabei wirklich nervig zu sein.
Eindeutig mehr Schmalz könnte der Micra vertragen, sein 0,9 Liter-Motörchen – das im Kaltlauf gerne ruckt und bockt – bietet das geringste Drehmoment im untertourigen Bereich. In Sachen Durchzug gleicht das die kurze Übersetzung aus, dafür muss der Motor bei höherer Geschwindigkeit am höchsten drehen. Die dabei entstehende Geräuschkulisse wird allerdings durch die effektivste Dämmung abgefedert. Umgekehrt der Polo: Im Vertrauen auf sein solides Drehmoment wurde das Getriebe so lang übersetzt, dass er beim Durchzugs-Test von 60 auf 100 km/h im vierten Gang hinterherhinkt. Ansonsten passen die VW-Fahrleistungen aber.
Der Citroën C3 bietet massig Drehmoment und knackt beim 0-auf-100-Sprint als Einziger die Zehn-Sekunden-Marke, bei ihm stört lediglich die überambitionierte Schleppmoment-Regelung, die beim Schalten die Drehzahl unnötig oben hält. Positiv unauffällig gibt sich der Kia Rio, dessen Sechsgang-Getriebe in diesem Vergleich ein Alleinstellungs-Merkmal ist. Es ermöglicht Dampf in den unteren Gängen und in den höheren ein angenehm niedriges Drehzahl-Niveau.
Die Schaltungen sind übrigens allesamt leichtgängig und präzise, die Hebel liegen gut zur Hand. Am kurzwegigsten ist jene des VW Polo, am längsten muss man den Knüppel im
Citroën führen.
Fahrwerk & Traktion
Testautos leben gern auf großem Fuß – aus Gründen der Optik werden meist die größtmöglichen Räder aufgezogen. In unserem Fall durchwegs 17-Zöller, die selbst in den Topausstattungen nicht serienmäßig sind. Was dem Aussehen nützt, macht sich beim Fahrkomfort weniger positiv bemerkbar, da dominiert gesunde Härte. Dennoch schlägt einem kein Testkandidat die Plomben aus den Zähnen.
Der Kia fährt sich so, wie er aussieht: erwachsen. Mit seinem souveränen Fahrverhalten riecht er bereits in die nächsthöhere Klasse hinein. Agiles Handling, das hohe Kurvengeschwindigkeiten erlaubt, sehr präzise, eher schwergängige Lenkung. Die leichte Ruppigkeit bei kurzen Stößen ist erstens zum Teil den 17-Zöllern geschuldet und betrifft zweitens fast alle Kandidaten. Der Polo liegt trotz deutlich älterer Konstruktion in seinen Fahreigenschaften sehr nah am Kia Rio. Die deutlich höhere Sitzposition dient der Übersicht, man fühlt sich aber weniger gut ins Fahrzeug integriert. Dafür erweist sich das VW-Fahrwerk insgesamt am komplettesten, kurze Stöße steckt es eindeutig am besten weg.
Die Traktion wird durchwegs kontrolliert, allerdings kann man in leichten Fronttriebern bei Nässe keine Wunder erwarten. Wenn der Turbo-Schub im ersten Gang einsetzt, muss man den Gasfuß zügeln, sonst scharrt man auf der Stelle. Positiv: Berganfahrhilfe ist stets serienmäßig. Die Bremsen sind überall gut dosierbar und standfest. Am schnellsten steht der Rio, C3 und Polo gönnen sich zwei Meter mehr, der Micra sogar drei – mit rund 40 Metern aus 100 km/h liefert er absolut gesehen aber noch immer einen herzeigbaren Wert.
Cockpit & Bedienung
In den Cockpits dominieren große Rundinstrumente, ein sinnvoll platzierter Touchscreen und griffgünstige Schalter. Aufgeräumt wirken alle, Citroën und Nissan hauen aber beim Design kräftiger auf den Putz und bemühen sich mit Stoff- und Kunstleder-Einlagen (erfolgreich) um wohnlich-extravagante Atmosphäre. In Sachen Menüführung sind VW und Kia am logischsten, hier findet man sich auch als Marken-Neuling sehr schnell zurecht. Citroën und Nissan erfordern etwas mehr Eingewöhnungszeit, über deckel ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß. Dafür gefällt die Idee mit den ledernen Türschlaufen: Sie wirken massiv und haltbar, sind erfrischend anders und noch dazu ergonomischer platziert als die herkömmlichen Türgriffe der anderen.
Bei der Sicht nach hinten bzw. schräg hinten trumpft der Polo auf, beim an sich ebenfalls übersichtlichen Rio stören nur die etwas breiten C-Säulen, ebenso beim C3. Beim Micra mit seiner nach hinten extrem hochgezogenen Gürtellinie und den entsprechend kleinen Scheiben wird die Bestellung der Rückfahrkamera fast schon zur Pflicht. In Sachen Gestühl beweisen ausgerechnet die beiden Asiaten Kia und Nissan das beste Gespür für groß gewachsene Europäer, ihre Sitze sind groß dimensioniert, straff und bieten guten Seitenhalt. In den letzten beiden Punkten halten die Polo-Sessel mit, allerdings sind sie vergleichsweise unterdimensioniert. Genau wie jene des C3, die noch dazu am weichsten sind und den wenigsten Seitenhalt bieten.
Innen- & Kofferraum
Simpler Trick, große Wirkung: Der Kia Rio ist um rund sieben Zentimeter länger als seine Konkurrenten, und diese münzt er konsequent in Raum-Zentimeter um. Vor allem im Fond, wo man es auch als handelsüblicher Erwachsener längerfristig gut aushält. Citroën und Nissan halten lediglich mit ihren durchaus geräumigen vorderen Sitzplätzen mit, ihre Fond-Abteile könnte man wohlwollend als „kindgerecht“ bezeichnen. Trotz der hohen Sitz-Montage bietet der C3 zumindest vorne ordentlichen Kopfraum. Der VW Polo muss nicht nur Längen- sondern auch Breiten-Zentimeter vorgeben. Man kann den Wolfsburger Technikern zugestehen, dass sie daraus das absolute Maximum geholt haben, dennoch zwickt der VW auch vorne ein wenig unter den Achseln.
Beim Kofferraum scheint der neueste Trend zur hohen Ladekante zu gehen. Hier trumpft der gute, alte Polo mit 69 Zentimetern auf, beim Citroën muss man hingegen 76 Zentimeter überwinden. Noch dazu fällt das Gepäck im Auto wiederum tief hinunter – außer bei Kia und VW, denn nur diese beiden bieten einen doppelten Ladeboden, den man auch entfernen oder an tiefster Stelle unterbringen kann. Im Polo ist er noch dazu nach dem Hochklappen fixierbar, eine gleichermaßen einfache wie schlaue Lösung. Auch kann man beim VW nicht nur die Sitzlehnen 2:1 geteilt umlegen – wie bei allen anderen –, sondern zusätzlich die Sitzflächen hochklappen, womit ein völlig ebener Laderaum entsteht.
Beim Volumen muss sich der Wolfsburger dafür hinten anstellen, hier schlägt wieder einmal die Stunde des ausgewachsenen Kia Rio. Der hat auch zahlreiche vernünftige Ablagen zu bieten, größere Flaschen bringt man wiederum am besten in den VW-Türen unter. Und der Micra bietet zwar das größte Handschuhfach und eine spacig beleuchtete Ablage unter der Mittelkonsole, dafür spart er sich die hinteren Türablagen komplett.
Dran & Drin
Im Kleinwagen-Segment gibt es nach wie vor günstige Basisversionen, aber immer häufiger auch – wie getestet – Topmodelle, die sogar vor ausgewiesenen Luxus-Extras nicht zurückschrecken. Sieht man die Ausstattungsliste auf Seite 10 näher an, fallen sofort die vielen „S“ (für serienmäßig) beim Kia Rio auf. Die „Gold“-Ausstattung inkludiert etwa Navigationssystem, Tempomat, Sitz- und sogar Lenkrad-Heizung. Unser Testwagen mit Lederpolsterung ist übrigens seiner Zeit voraus, eine solche ist erst ab Herbst bestellbar. Der Micra rollte als „N-Connecta“ zwar nur in der zweithöchsten Ausstattung an, diese ist aber auch sehr umfangreich, etwa mit Navi, schlüssellosem Zugang oder elektrisch klappbaren Außenspiegeln. Der Citroën C3 bietet als „Shine“ unter anderem Klimaautomatik und Tempomat, dafür muss man für Alufelgen Aufpreis zahlen. Und ausgerechnet der betagte Polo hat als Einziger LED-Hauptscheinwerfer im Talon – allerdings nur gegen Aufpreis, denn mit Serien-Goodies knausert Wolfsburg nach wie vor am meisten.
Die Verarbeitungsqualität ist durchwegs gut, am solidesten wirkt der ausgereifte Polo, der dafür wie der Kia ungeniert Hartplastik einsetzt. Richtig bemüht sind hier Citroën und Nissan, mit zahlreichen Material- und Farbakzenten und sogar farblich abgesetzten Nähten.
Schutz & Sicherheit
Lediglich für den VW Polo gibt es ein Ergebnis beim Euro-NCAP-Crashtest, die anderen Kandidaten sind dafür noch zu jung. Der Wolfsburger erzielte allerdings schon 2009 fünf Sterne, mit besonders guten Bewertungen für die Sicherheit der Vornesitzenden (90 Prozent) und der Kinder (86 Prozent).
An aktiver Sicherheit sind die Testkandidaten umfassend bestückbar, nur wenige Assistenz-Systeme sind für sie nicht erhältlich – etwa Toterwinkel-Warner und Verkehrszeichen-Erkennung für Kia und VW.
Beim Polo muss man darüber hinaus als Einzigem für hintere Kopfairbags Aufpreis bezahlen, dafür kann man sogar einen Abstandsregel-Tempomaten erwerben. Der Rio bietet wiederum einen Notbrems-Assistenten und (wie der Citroën) ein passives Spurhalte-System serienmäßig. Der C3 trumpft mit Verkehrszeichen-Erkennung ab Werk auf sowie einem günstigen Safety-Paket mit Notbrems-Assistent sowie Kollisions- und Müdigkeits-Warner. Und für den Micra sind fast alle gängigen Assistenten erhältlich, bis hin zu Fernlicht-Sensor, aktivem Spurhalte-Assistenten oder Rundumkameras.
Sauber & Grün
Die Norm-Verbräuche unserer Testkandidaten liegen auf 100 Kilometer durchwegs im Viereinhalb-Liter-Bereich, im wirklichen Leben kommt man mit knapp mehr als sechs Litern über die Runden. Für Benziner rund um 100 PS allemal akzeptabel. Eine Ausnahme bildet hier der Polo, der damit das ganze Downsizing-Modell hinterfragt: Trotz vier Zylindern und vergleichsweise großem Hubraum kommt er als Einziger mit weniger als sechs Litern durch. Fast schade, dass VW im Zuge des herbstlichen Modellwechsels auf einen Einliter-Dreizylinder umschwenken wird.
Auch bei den Abgaswerten liegt der Polo am besten. In unserem Rechenmodell, das CO, NOx, HC und Partikel auswertet, punktet er beinahe voll. Die anderen liegen aber nur unwesentlich zurück und erfüllen natürlich auch allesamt die aktuelle Abgasnorm Euro 6b.
Preis & Kosten
Im Preisvergleich kratzt der Rio an der 20.000 Euro-Marke, der C3 wirkt mit 17.640 Euro wie ein Schnäppchen. Ausstattungsbereinigt wird der Unterschied viel kleiner, dennoch bilanzieren hier Citroën und Nissan am günstigsten. Die Zeiten Kias als ausgewiesene Billigmarke sind also vorbei, genauso wie die Zeiten, in denen die Koreaner belächelt wurden. Bringt man den Polo auf das Ausstattungsniveau der anderen, ist er am teuersten, was wohl kaum jemanden überraschen wird. In etwa auf einem Niveau liegen hingegen die Preise für die bei allen Marken recht zahlreichen Extras.
Auch wenn der VW teurer ist, beim Wiederverkauf macht er das grundsätzlich wieder wett. Ein Vorteil, der aufgrund des baldigen Modellwechsels kurzzeitig geringer sein wird. Kia wiederum kommt beim Gebrauchten-Verkauf seine nach wie vor einzigartige Neuwagen-Garantie von sieben Jahren zugute. Zum Vergleich: Nissan bietet hier drei Jahre, Citroën und VW offerieren nur das Minimum von zwei Jahren.
Testurteil
Den knappen Sieg im Vergleich trägt der Kia Rio vor allem dank seines überlegenen Raumangebots und der Abwesenheit von echten Schnitzern davon. Altmeister VW Polo ist, gemessen an brandneuen Konkurrenten, ein wenig eng geworden, dafür beeindruckt er mit seiner Reife. Der handlich-knackige Nissan Micra sieht gut aus und fährt sich auch so, seine Schwächen liegen beim Raumangebot im Fond und seinem etwas brustschwachen Motörchen. Die Top-Fahrleistungen des feschen Citroën C3 PureTech 110 werden von seinem wenig agilen Handling neutralisiert, und im Fond geht es unerwartet eng zu.
Coole Perfektion hat somit wieder einmal über mutiges Design und extravagante Details gesiegt – Letztere lassen sich eben nicht in Form von Punkten festmachen. Die Kaufentscheidung können sie aber sehr wohl beeinflussen.