VW Golf I GTI trifft VW Up GTI

25. Oktober 2018
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Aktuelles

Herr Hofer hat es sicher gut gemeint, doch zehn km/h mehr oder weniger sind auch schon egal. Die goldenen Zeiten, als man noch sorgenfrei aufs Gas steigen konnte, sind ja sowieso vorbei. Zugegeben, erlaubt war das eigentlich nie, aber wer hat denn nicht gesündigt, als die Straßen leer waren? Eben. Doch heute? Zu dicht alles be­siedelt, zu voll die Straßen, und auch die Herren von der Exekutive drücken weit weniger oft ein Auge zu. Kurz gesagt: Fahrfreude rein über die Ge­schwindig­keit ist fast nicht mehr zu generieren. Und je stärker ein Auto ist, desto mehr ist man heutzutage am Bremsen, und nicht am Beschleu­nigen. Das frustriert freilich, denn gerade das Ausnutzen des kompletten Potenzials macht ja erst den Reiz ­eines Autos aus. Einschenken, Auswringen, Stoff geben. Volle Pulle. Pedal to the ­metal. Doch keine Sorge, es gibt da in der leistbaren Liga fürs vergnügte ­Fahren ohne Fuß halb im Häf‘n eine neue Formel ­unter einem ­alten Kürzel: GTI.

Von den Fahrleistungen, Abmessungen und dem Platzangebot geben sich der erste Golf und der Up! nicht viel. Auch preislich liegen sie nicht weit auseinander. Welcher der Bessere ist, hängt vom persönlichen Zugang ab.

Von den Fahrleistungen, Abmessungen und dem Platzangebot geben sich der erste Golf und der Up! nicht viel. Auch preislich liegen sie nicht weit auseinander. Welcher der Bessere ist, hängt vom persönlichen Zugang ab.

 

Und zwar in Form von VWs Kleinsten, dem Up! Lange vermutet, ewig angekündigt und nun tatsächlich erhältlich. Die Wolfsburger packen in ihren Winzling mit minimalen Überhängen ­115 PS, die aus dem altbekannten Dreizylinder-Turbo geschöpft werden. Dazu kommen größere Bremsen, ein sechster Gang, ein Paar Zierstreifen, 17 Zoll-Räder und der eine oder andere GTI-Schriftzug. Schnell werden Vergleiche mit dem Lupo GTI herbeibeschworen, und dass der Neue gar nicht richtig cool sein kann, weil ja der kleine Wolf damals zehn PS mehr hatte. Doch das ist überhaupt nicht der entscheidende Punkt. Eher der, dass man hier sehr oft 100 Prozent der Leistung abrufen kann, und sich dabei richtig schnell vorkommt. Wie ein leichter Sommerspritzer: schmackhaft, erfrischend, aber eben kein Schädelweh-Macher. Die perfekte Formel für den kleinen Spaß zwischendurch?

Ein Punkt, der den Up! zum reinsten der derzeit ­erhältlichen GTIs macht. Denn Polo und Golf fahren mit mindestens 200 PS auf, die für Österreich eigentlich schon zu viel sind. Die hier gebotene Power hingegen arbeitet vergnügt und agil, erfreut sich an der Drehzahl und klingt ob der ungeraden Zylinder-Zahl auch noch ungeheuer grimmig. Mit dem Ergebnis, dass man sich dabei ertappt, wesentlich mehr Vollgas-Zeit zustande zu bringen als in jedem anderen derzeit erhältlichen GTI, was die Mundwinkel des Fahrers natürlich in die Höhe zieht – auch wenn man nicht ­einmal einen mittelstarken Skoda Superb TDI abhängen kann.

 

Ist der Up! GTI also endlich die lang erwartete Reinkarnation des ersten Golf GTI, dem man ja bis heute nachsagt, ein unvergleichlich ursprüngliches Fahrerlebnis zu liefern? Oder liegen doch noch Welten zwischen dem knochigen Haudegen und dem rundgelutschten Jüngling? Die Eckdaten sind überraschend ähnlich: 1982 brachte VW die erste Evolutionsstufe des schnellen Golf auf den Markt. Den Hubraum erhöhte man von 1,6 auf 1,8 Liter, was zwar nur zwei Zusatz-PS brachte (mehr traute man sich in diesem konservativen Haus einfach nicht, weswegen man im Nachhinein Leistung drosselte), dafür aber 13 Newtonmeter mehr Drehmoment bot, die dazu auch noch um 1500 Umdrehungen früher anlagen. Der Up! mag also drei Pferde und knapp 50 Newtonmeter zusätzlich unter der Haube haben, dafür schleppt er 180 Kilo­gramm mehr mit. Man kann also von einem durchaus ausgegli­­che­­nen Match sprechen.

Die erste Runde gebührt dem Altmeister. Kenner erkennen einen „Einser“ schon am scheuernden Geräusch des Starters – und spätestens an dem typischen Bröseln im Teillastbereich, den nur der alte Achtventiler so zustande bringt. Dass man am Volant ein wenig mehr zu kurbeln hat, weil es damals noch keine ­Servolenkung gab – geschenkt! Nach dem Ausparken ist das Thema gegessen. Und der Rest eine große Überraschung: Sitze, Sitzposition, Übersicht und Bedienung – alles passt heute noch erstaunlich gut. Man glaubt nicht, dass die Konstruktion schon über vier Jahrzehnte auf dem Buckel hat. Auch nicht, wenn man sich durch die Gänge arbeitet. Das frühe Drehmoment erlaubt zügiges Hochschalten, und die Abstufung des Getriebes würde man auch bei einem heutigen Neuwagen noch als sportlich kurz bezeichnen.

 

Natürlich ist die gebotene Kraft im Vergleich zu modernen Power-Kompakten wenig berauschend. Aber man hat keine ­Probleme zügig voranzukommen, normal zu überholen und doch den ein oder anderen zu ärgern, weil die 890 Kilo Lebend­gewicht gerade in den unteren Gängen eine erstaunliche Leichtigkeit be­wirken. Was noch dazu kommt, ist die große Harmonie des Antriebsstrangs: Der Vierzylinder überfordert die Reifen fast nie. Das Fahrwerk kommt im Prinzip auch gut damit zurecht, womit man entschlossen durch Kreisverkehre sticht, wie ein junger Hase ums Eck biegt oder sich von der Ampel weglässt wie ein gespanntes Gummiringerl – und damit noch immer vorzüglich die Großen ärgern kann.

Wechsel in den Up! Erstaunlich, wie abgekapselt man sich in dem Zwerg vorkommt. Alles ist so viel besser gedämmt und geht leichter von der Hand. Zwar benötigt der Murl ein wenig mehr Gas, um flott vom Fleck wegzukommen, aber dieses Problem haben alle modernen aufgeladenen Mini-Motoren. Hat man den Ladedruck aber aufgescheucht, schupft der Murl so viel Drehmoment auf die Kurbel­welle, dass man viel zu früh hochschaltet. Erst wenn man entschlossen am Gas bleibt, merkt man, wie lang das Getriebe übersetzt ist und wie schnell man in den einzelnen Gängen wird. Da hätte es mit einer kürzeren Übersetzung definitiv noch ein gewisses Spaß-Poten­zial gegeben, denn die Charakteristik ist viel zu bärig, um den Dreizylinder wirklich ausdrehen zu müssen. Andererseits: In ­Zeiten der „Euro 6D-Temp“-Abgaslimits geht es nicht mehr anders. Und dank dieser entspannten Auslegung lässt einen der Up! im Alltag auf angenehme Weise in Ruhe. Man erfreut sich am guten Durchzug, natürlich an der Klimaanlage und auch an den wesentlich besseren Bremsen. Der Up! ankert immer zuverlässig – eine Eigenschaft, für die der Ur-GTI eher nicht berühmt war.

Auch nicht dafür, immer lammfromm zu bleiben. Flott bewegt, kann das Hinterteil schon einmal eifrig mitlenken, wenn man in Kurven oder beim Anbremsen spontan das Gas lupft. Attribute, die sich der Top-Up! nie erlaubt. In diesen Punkten ist er einfach ein modernes Auto. Bleibt am Ende die alles entscheidende Frage: Wer bietet mehr Fahrspaß? Beide sind leistbar, alltagstauglich, und natürlich ist der „Einser“ in seiner puristischen Art eine große Hetz. Aber genau dort, wo er zu nerven anfängt, punktet der Up! GTI. Sei es in der Stadt, beim Einparken, im Hochsommer oder auf langen Autobahn-Etappen – sogar bei Herrn Hofers 140 km/h.

Daten & Fakten

Basispreis in € 13.500,–*
Zyl./Ventile pro Zyl. 4/2
Hubraum in ccm 1781
PS/kW bei U/min 112/82 bei 5800
Nm bei U/min 153 bei 3500
Getriebe 5-Gang, manuel
L/B/H, Radst. in mm 3815/1630/1400, 2400
Kofferraum/Tank in l 370–1100
Leergewicht in kg 890
0–100 km/h in sec 9,0
Spitze in km/h 187
Normverbrauch in l (Mix) 6,2/7,8/11,0

* Marktwert heute in Zustand 2 laut Classic-Analytics
** bei 90/120/Stadt (Golf) bzw. Stadt/außerorts/Mix (Up!)

Basispreis in € 16.840,–
Zyl./Ventile pro Zyl. 3/4
Hubraum in ccm 999
PS/kW bei U/min 115/85 bei 5500
Nm bei U/min 200 bei 2000–3500
Getriebe 6-Gang, manuell
L/B/H, Radst. in mm 3600/1645/1478, 2410
Kofferraum/Tank in l 251–951 / 35
Leergewicht in kg 1070
0–100 km/h in sec 8,8
Spitze in km/h 196
Normverbrauch in l (Mix)** 5,6/4,8/5,1

** bei 90/120/Stadt (Golf) bzw. Stadt/außerorts/Mix (Up!)