GTI Treffen 2016: Zwischen den Welten

10. Mai 2016
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Aktuelles

Zu Beginn gleich ein Outing: Ich war noch nie am GTI-Treffen. Überhaupt war ich in meinem Leben noch auf wenigen Treffen. Und die, auf denen ich war, hatten was familiäres: maximal 30 Autos vom selben Hersteller, viele kennen einander und so weiter. Und so, als quasi unbeschriebenes Blatt, landete ich also beim GTI-Treffen … war aber natürlich nicht unvorbereitet. Kollege Scharf, selbst ja Halter des einen oder anderen Wolfsburgers und langjähriger Kenner des Treffens, unterwies mich: Ich solle nicht zu lange am Stand von VW selbst verweilen. Lieber sollte ich zusehen, dass ich unter die Menschen komme; mich treiben lasse. Eventuell sogar Reifnitz verlasse und an die „echten“ Hotspots gelange: Turbo-Brücke, Leistungskurve, Velden … all das war mir leider nicht vergönnt. Immerhin war schnell klar, dass VW uns nicht umsonst per Boot nach Reifnitz schaffte. An Teilnehmern mangelte es dem Treffen auch Anno 2016 keinesfalls. Dicht an dicht drängelten sich Menschen und vor allem natürlich auch Autos durch die Straßen der beschaulichen Stadt am Ufer des Wörthersees. Hier fährt man „eben mal schnell“ nirgends hin.

 

Ich persönlich wollte das aber auch gar nicht. Zu voll war das kleine Reifnitz mit interessanten Anblicken und faszinierenden Szenen. Gerade noch sehr ich dabei zu, wie ein Vater mit glänzenden Augen seinem Nachwuchs Sinn und Zweck eines Autogrills erklärt – natürlich an einem alten 1er GTI. Kurz darauf flatuliert ein sturzbesoffener Bayer direkt neben mir. Was mir vor allem deswegen im Gedächtnis blieb, weil er den Vorgang lautstark ankündigte … und ich es irgendwie „bewunderte“ dass man um 11 am Vormittag schon/schon wieder/noch immer so paniert sein kann. Am GTI-Treffen prallen eben wirklich Welten aufeinander. Das merkt man freilich auch bei den Autos.

So unterschiedlich die Menschen, so unterschiedlich sind freilich auch ihre Ansätze beim Auto. Das wirklich schöne: Soweit ich das festmachen konnte, werden wirklich ausnahmslos alle geschätzt. Ein komplett original belassener, sogar noch erstzugelassener und augenscheinlich nie reparierter 1er GTI aus Italien erntet hier ebenso viel Anerkennung wie ein gechoppter Passat, ein Audi Urquattro oder ein 7er Golf, der so professionell getunt wurde, dass er für öffentliche Straßen eigentlich zu schade ist. Und ja: selbst so manche Fremdmarke war vertreten und offensichtlich auch gern gesehen – auch wenn sie selten waren. Zumindest in Form eines ganzen Autos. An den Volkswagen selbst hingegen war es kein unüblicher Anblick, auch mal Mercedes-Felgen zu verorten … oder solche von einem Alfa Romeo, was ich schon ziemlich skurril fand. Sei’s drum: Alles geht. Und wenn es ein aktueller Scirocco ist, an dessen Steuer Mr. Oizo sitzt.

 

Doch wie stand es jetzt um mit dem „back to the roots“-Slogan? Nun … auch der ist irgendwo zwischen den Welten stecken geblieben. Klar: VW war diesmal wirklich nur als VW da und nicht mit Audi, Skoda und Seat. Doch das wohl offensichtlich vor allem auch, weil man einfach heuer deutlich weniger Geld in die Hand nehmen konnte und wollte als in den Jahren davor. Abseits davon war aber wenig von ECHTER Besinnung auf die Wurzeln zu sehen. Eine Modeschau auf der Hauptbühne war immerhin wohl eher nie Teil des Grundgedankens am GTI Treffen. Immerhin gab es bei den Ständen wirklich größtenteils nur Zeug zu kaufen, das direkt oder indirekt mit Autos zu tun hat. Doch wirklich „back to the roots“ spielte es auch hier nicht. Um das wirklich konsequent durchziehen zu wollen, hätte man wohl auch den diversen Felgen-, Fahrwerks-, Leuchtmittel- und Abgasanlagen-Herstellern ihre Stände wieder wegnehmen müssen. Doch wer will das schon? Die Veranstalter und auch die Stadt (auch der Bürgermeister war wieder da) ganz sicher nicht … bringt ja Geld. Apropos Stadt: Öfter gehörtes Thema war „Velden“. Vor allem die schnell die Runde machende Neuigkeit, dass die im Grunde extra für das Treffen installierten Bremsschwellen Nächtens entfernt wurden. Und das freilich nicht von der Stadtregierung. Diese schaffte es dafür, wie ich im Nachhinein las, den verantwortlichen „Schrauber“ ausfindig zu machen. Ihn zu überführen war darauf nicht schwer: Er hatte die Schrauben der Bremsschwellen noch im Kofferraum.

 

Wie auch immer: Kriminelle Genies mögen die Besucher des GTI-Treffens vielleicht keine sein, aber ein lustiger Haufen sind sie allemal. Und auch wenn ich durchaus jeden Anrainer verstehen kann, der es nicht so cool findet wenn das Knallen der Turbo-bewaffneten Alt-GTIs den ganzen See überfliegt oder mal wieder ein Auto nach dem anderen tiefschwarze Streifen auf den Asphalt zeichnet (letzteres habe ich in Reifnitz übrigens nie gesehen – aber es gibt ja genug Videos im Netz), so steht für mich dennoch fest: Die Welt wäre ohne das GTI-Treffen ein dünklerer Ort. Einer, der um ein wenig exzessiv zur Schau gestellten Individualismus ärmer geworden wäre. Doch zum Glück steht ein Ende der GTI-Treffen ja keineswegs zur Diskussion … einzig vielleicht die Beteiligung des VW-Konzerns, der sich in seiner Zurückhaltung beim nächsten Anlauf zu „back to the roots“ vielleicht noch etwas mehr Mühe geben könnte, aber nicht muss. Die meisten, mit denen ich vor Ort geredet habe, finden VWs Anwesenheit generell sowieso nur „schön“, aber nicht wirklich wichtig. Wie auch die kleinen Treffen lebt auch dieses eben nun einmal vor allem von einem: den Fans. Und da gibt es eben (offensichtlich) nirgends mehr als bei der Ikone „GTI“.

PS: Oben, hinter dem Titelbild verbergen sich noch deutlich mehr Fotos als die hier im Artikel eingebetteten. 😉