In der Gerüchteküche ist sie schon jetzt das Spitzengericht: Die kommende Euro- 7-Abgasnorm wird als so etwas wie der Hexenhammer gegen das Auto mit Verbrennungsmotor gehandelt, besser: gefürchtet – wobei der EU-Kommission in etwa die Rolle der heiligen Inquisition zukäme.
Die laufend strenger werdenden Normen begleiten uns seit 1993 und leiden unter einem ähnlichen Verständnis-Manko wie die Bundesverfassung – jeder beruft sich gern darauf, aber kaum einer weiß, was wirklich drinsteht. Darauf angesprochen würden die meisten vermutlich antworten, dass mit der Abgasnorm der CO2-Ausstoß geregelt wird – dabei kommen gerade die Kohlendioxid-Emissionen darin gar nicht vor, weil CO2 zwar bekanntlich klimarelevant, aber nicht ursächlich gesundheitsschädlich ist.
Eventuelle Einschränkungen auf deren Basis fallen unter die Kompetenz der einzelnen Staaten. Was nicht bedeutet, dass die Europäische Union nicht daran interessiert ist, das zu ändern – Stichwort CO2-Steuer, die schon länger als EU-Großprojekt herumgeistert.
Geregelt werden in den Normen vor allem die Grenzwerte für Kohlenwasserstoffe (HC), Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (NOx) und Nano-Partikel (Feinstaub) in den Abgasen. Die aktuelle EU-Norm Nummer 6 gilt seit 2015 – die darin enthalten Limits wurden seitdem nicht verändert, sehr wohl aber die Verfahren zu ihrer Ermittlung. Vom NEFZ in der Euro 6b, dem WLTP bei 6c zu den zusätzlichen Real Driving Emissions bei 6d-TEMP-EVAP-ISC und 6d-ISC-FCM – wobei die Codierung die darin enthaltene Kompliziertheit gut widerspiegelt.
Auch, wenn sich die Grenzwerte nicht verändert haben, sind die Motoren mit den Evolutionen von Euro 6 tatsächlich laufend sauberer und schadstoffärmer geworden, da die Messung statt im vormaligen idealisierten Prüfstand-Verfahren inzwischen vermehrt unter realen Fahrbedingungen stattfindet.
Mit der Euro 7-Norm werden sich nun auch wieder die Grenzwerte ändern – zusätzlich zu erneut strengeren Messbedingungen. Über beides wird bereits im Vorfeld eifrig gestritten. Experten warnen, dass sowohl die zu Diskussion stehenden Limits technisch nicht erreichbar wären als auch die angekündigten Ermittlungsmethoden keinerlei Bezug zur Betriebsrealität eines Pkw mehr haben.
In der Kritik steht dabei vor allem, dass Randbedingungen ohne praktischen Bezug mutwillig verknüpft werden. Schon bisher gelten etwa für Stickoxide Limits, die bei plus 3, 0 und minus 7 Grad ermittelt werden – was auch nicht gerade den europäischen Temperatur-Durchschnitt abbildet. Bei normalen Bedingungen fallen 5 bis 30 mg pro Kilometer an, ein de facto vernachlässigbarer, weil auch gesundheitlich irrelevanter Wert.
Für Euro 7 waren aber Vorschläge im Umlauf, nach denen angeblich etwa ein beliebiges Fahrzeug – auch nach 200.000 Kilometer Laufleistung – im Winter, bei Vollgas mit kaltem Motor oder im Anhängerbretrieb auch nicht mehr emittieren soll als aktuell im Normalbetrieb. Der Sinn darin ist ebenso fraglich wie der Nutzen oder Mehrwert für die Luftqualität
Aufgrund massiver Experten-Bedenken ruderte die EU-Kommission zuletzt etwas zurück. Stickoxide sollen beispielsweise von derzeit 60 (Benziner) bzw. 80 (Diesel) auf maximal 30 mg/km gesenkt werden – wie bereits jetzt auch im realen Fahrbetrieb, nicht aber unter den oben erwähnten Extrembedingungen. Außerdem sollen für leichte Lieferfahrzeuge höhere Werte gelten. Das endgültige Aus des Verbrennungsmotors sollte damit zumindest aufgeschoben sein.
Einen noch längeres Verbrenner-Leben könnte der Einsatz von E-Fuels bringen. Für die bereits in Entwicklung befindliche nächste Generation davon kann sogar die Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffketten so gesteuert werden, dass eine Reduktion der Schadstoff-Emissionen um bis zu 80 Prozent (ausgehend von den heutigen Grenzwerten) möglich ist – was die Gesamtbilanz des Verbrennungsmotor-Pkw gegenüber dem Elektroauto dramatisch verbessern würde.
Wohl nicht zuletzt deshalb sträuben sich die Entscheidungsträger in der EU vehement gegen den E-Fuel-Einsatz und wollen ihn nach Möglichkeit auf einen geringfügigen Prozentsatz als Beimengung im erdölbasierenden Sprit limitieren.
Die ursprünglich vorgesehene Einführung von Euro 7 noch heuer wird ganz sicher nicht klappen, derzeit wird noch mit Zähnen und Klauen verhandelt. Als wahrscheinlichster Zeitpunkt für das Inkrafttreten gilt derzeit 2025 – auch wegen der Entwicklungs- und Vorlaufzeiten für die notwendigen Umstellungen, nachdem die endgültigen Zahlenvorgaben auf dem Tisch liegen.
Fotos: Werk
Mozl
( 9. Mai 2021 )
Ich habe zu dem Artikel zwei Fragen:
1. Ab wann werden die zurzeit in Entwicklung befindlichen E-fuels aus erneuerbaren Energien hergestellt in solchen Mengen verfügbar sein, dass sie fossile Kraftstoffe zur Gänze ersetzen können?
2. Welchen Erklärungen der EU-Kommission folgt der Vorwurf, dass diese ab dem Erreichen obigen Zieles den Einsatz im PKW-Bereich verhindern möchte?
Stefan Pabeschitz
( 12. Mai 2021 )
Hallo Mozl,
1. Die Anlagen werden auch in der Entwicklungsphase bereits mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben. Die Krux liegt allerdings darin, dass diese nur eine prioritäre Entnahme aus dem Gesamtmix darstellen, der mit Importstrom aus nicht erneuerbaren Quellen ausgeglichen werden muss – was aber eine grundsätzliche Problematik unserer Energieproduktions-Struktur insgesamt ist, nicht der E-Fuels.
2. Die tendenzielle Ablehnung oder zumindest Erschwernis des Einsatzes von E-Fuels steht nach der bisherigen Entscheidungslage der EU-Kommission in keinem Zusammenhang mit o. g. Ziel – die Limitierung der Beimischung wurde von ihr nicht begründet.
Mozl
( 14. Mai 2021 )
Danke für die Anmerkungen.
Weuzi
( 11. Mai 2021 )
Henrik Broder hat die EU und deren Parlament mit dem obersten Sowjet und der damaligen Duma verglichen. Wie wahr- die realitätsfremden Entscheidungen von reinrassigen Apparatschiks waren und sind bei beiden Wunschdenken und haben und werden zum Scheitern führen – zum Nachteil und auf Kosten der arbeitenden Massen in Europa.
Mozl
( 12. Mai 2021 )
Das ist ein interessantes politisches Statement, hilft mir aber mit meinen Fragen nicht weiter.