Zum großen Test tritt diesmal der kurze, sprich der „Ninety“ an, der im Vergleich zum „One Ten“ zwei Türen und fast 500 Liter weniger Kofferraum hat. Dass er im Gegenzug 4388 Euro billiger ist, wird wohl die wenigsten Kunden beeinflussen – wie viele tatsächlich zum kompakten Defender greifen werden, steht noch in den Sternen.
Über fehlende Aufmerksamkeit im Straßenverkehr kann man sich ob der wuchtigen Erscheinung auch im fünftürigen „110“ nicht beschweren, der auffällig kurze „90“, setzt da noch eins obendrauf – was sicherlich auch an der Konfiguration unseres Testwagens lag: weiße Stahlfelgen, die farblich zum Dach passen, dazu ein „Fetzendach“ – das sieht man nicht alle Tage.
Dabei wurde an dieser Stelle noch gar nicht das vielleicht außergewöhnlichste Feature des Landy angesprochen: In der ersten Sitzreihe kann man sich entweder für den Entfall der Mittelkonsole entscheiden (was ein Durchgehen nach hinten ermöglicht), für ein Kühlfach optieren, oder aber einen umklappbaren dritten Sitz wählen. So wird der kurze Defender, der nicht einmal den Radstand eines Golf aufweist, zu einem Sechssitzer, allerdings ohne adäquaten Kofferraum – die Krönung für ein ziemlich einzigartiges Auto.
Einzigartig ist auch die Tatsache, dass Land Rover einen Schritt in die – wie wir meinen – richtige Richtung gemacht hat: Die beiden schwächeren Diesel waren zur Markteinführung Vierzylinder, die nun durch weitere zwei Zylinder auf drei Liter vergrößert wurden. Klingt unlogisch, macht jedoch auch aus ökologischer Sicht Sinn. Die größeren Aggregate plagen sich weit weniger mit dem Fahrzeuggewicht und ermöglichen so überraschend vernünftige Verbrauchswerte – vom souveränen Fahrgefühl und dem Mehrwert an Prestige ganz zu schweigen.
Apropos Prestige: Ab sofort ist der Defender auch mit V8 und 525 PS verfügbar. Für einen pragmatischen Kraxler vielleicht eine Themenverfehlung, der „Coolness-Faktor“, vor allem beim „90“, steigt dadurch hingegen in stratosphärische Höhen.
Fahrwerk & Traktion – Komfortable Grundabstimmung (selbst ohne optionale Luftfederung). In flott gefahrenen Kurven hält sich die Wank-Neigung in Grenzen, Aufschaukeln kann man freilich erzwingen. Sanft einsetzendes ESP. Feinfühlige, indirekte Lenkung (heißt: hoher Kurbel-Aufwand beim Rangieren). Kurze Überhänge, ausgezeichnete Offroad- Daten. Unschlagbare Traktion, Mitteldifferenzialsperre und Getriebe-Untersetzung Serie, elektronisch geregeltes Hinterachs-Differenzial als Option. Solide Bremsen.
Bedienung & Multimedia – Das bequeme Gestühl bietet ausreichend Seitenhalt, die Sicht nach vorne ist von der kantigen Motorhaube geprägt. Seitlich gute Übersicht, Rundumkameras (mit anderer Perspektive im Offroad-Modus) sind serienmäßig mit an Bord. Modernes Bedien-Konzept (brillanter Touchscreen, Sprachsteuerung) wird durch praktische Drehregler und Knöpfe ergänzt. Serienmäßige, jedoch kabelgebundene Smartphone-Integration, induktives Handyladen gibt es nur im Paket gegen Aufpreis. Große Anzahl an meist üppig dimensionierten Ablagen. Dank großem Tank hohe Reichweite.
Innen- & Kofferraum – Äußerst großzügige Platzverhältnisse in der ersten Reihe. Der Einstieg in den Fond gestaltet sich etwas mühsam, aber auch dort sitzt es sich bequem. Der kleine Kofferraum muss über eine hohe Ladekante befüllt werden, nach dem Umlegen der Fondlehnen bleibt zudem eine ausgeprägte Stufe.
Dran & Drin – Mehr als passable Serien-Mitgift in der zweiten von vier Ausstattungsstufen (Leder, Navi, 19 Zoll-Alus etc.), je nach Präferenz können sinnvolle Extras in Paketen geordert werden. Wer etwa auf schlüssellosen Zugang, digitale Instrumente und Fernlicht-Automatik verzichten kann, spart mit der Basis-Version über 6000 Euro. Für alle Versionen stehen unzählige Zubehör-Pakete (Schmutzfänger, Außenträger, Luftansaug-Schnorchel etc.) zu Wahl. Äußerst solide Verarbeitung, die Materialen reichen optional von minimalistisch-pragmatisch (pulverbeschichtetes Dekor) bis luxuriös-edel (Windsor-Leder, Holz).
Schutz & Sicherheit – Standardmäßiges Airbag-Aufgebot, dazu LED-Schweinwerfer und einige (teils aufpreispflichtige) Assistenzsysteme – im Vergleich zu herkömmlichen Premium-SUV vermisst man allenfalls einen Spurführungs-Assistenten.
Preis & Kosten – Preislich nicht unattraktiv: Als dreitüriger Luxus-Geländewagen ohne echte Konkurrenz; ein Jeep Wrangler ist deutlich teurer, auch ein Toyota Land Cruiser nicht preiswerter. Plus: braver Test-Verbrauch auf dem Niveau der Werksangabe, drei Jahre Garantie (inklusive Mobilitäts-Schutz), zudem gute Werthaltung zu erwarten. Angesichts langer Service-Intervalle ist das dünne Werkstatt-Netz verkraftbar.