Dabei hatte sich der SUV gesellschaftlich schon halbwegs erfangen. Das einstige SinnÂbild fürs politisch Unkorrekten ist heute längst in der breiten Mitte der GesellÂschaft anÂgeÂÂkomÂmen, immer weniger Menschen lästern über die hochbeiniÂgen Kraxler. VerÂantÂwortlich dafür sind vor allem die kleinen Vertreter dieser Fahrzeug-Klasse, die mit FrontÂanÂtrieb und Mini-MoÂtoren eine ökonomische und optisch verÂtretbare Form der VerÂnunft eingeführt haben am Hochsitz. Und jetzt das! Im SegÂment der nicht zu großen und dennoch famiÂlienÂtaugÂliÂchen Kompakt-SUV knallt AMG einen Boliden in den SchauÂraum, der gegen jegliche Ratio und fast alle guten Sitten mit dem FlamÂmenÂwerfer zündelt.
Das Feuerwerk lässt sich schon im Prospekt erahnen: Einen V8 gab es noch nie in dieser Klasse, 500 PS schon gar nicht. 510 ÂPferde sind es genau gesagt beim S, also in der stärÂkeren der beiden verfügÂbaren Ausbaustufen, die um knapp 12 Tausender MehrÂpreis nicht nur 34 PS und 50 Nm zusätzlich kredenzt, sondern auch ein Zoll größeÂres SchuhÂwerk und ein Hinterachs-Sperrdifferenzial. Und wenn schon unvernünftig, dann richÂtig, also zieht man sich den GLC 63 S in der Coupé-VariÂante rein, die um 2500 Euro mehr spürbar weniger Platz und Nutzwert bietet. Dazu passt das brutale Heck mit der unelegant hohen Karosserielinie samt schmalen SehÂschlitz – der letzte Schrei nach dem Motto: Was kümmern mich die ZurückÂgeblieÂbenen im RückÂspiegel?
Wir sind im deutlich sechsstelligen Bereich angelangt, und da ist noch nicht einmal der schaltbare Klappenauspuff um rund 1600 Euro geordert. NatürÂlich muss der auch noch mit an Bord – wenn wir schon den 50. Geburtstag der sportÂlichen DaimÂler-Tochter feiern, dann wollen wir es richtig krachen lassen. Dazu emÂpfiehlt sich als Kontrastmittel die unschuldigste aller Farben, aber natürlich nicht das profane und aufpreisfreie Polarweiß, sondern „Designo Diamantweiß bright“ um 2444 Euro extra. Es wird nicht das letzte Kreuzerl in der SonderÂausÂstatÂtungsliste bleiben, dazu sind die Posten zu verführerisch, außer freilich finanziell – auch weil 244 Gramm CO2 31 Prozent NoVA bedeuten, also beinahe Höchststrafe.
Der GLC 63 AMG S ist aber nicht nur der durstigste Kompakt-SUV am Markt, sonÂdern auch der brutalste – zumindest bis der Âetwas billigere Alfa Stelvio QuadriÂfoglio die Bühne betreten wird, nachzulesen bei uns in der nächsten Ausgabe. 3,8 SekunÂden auf 100 wird auch Romeo ausrufen, in jedem Fall ist das eine starke ÂAnsage Richtung Supersport-Segment, wo sich eigentlich Ferrari, LamborÂghini & Konsorten tummeln sollten. Beim Match Mailand gegen München könnten Datenanalytiker den nicht limiÂtierÂten HighÂspeed in die italienische Waagschale werfen, in dieser Liga könnte freiÂlich mehr zählen, dass der Stern mit acht statt „nur“ sechs Zylindern an(d)rückt. GuÂtes StichÂwort: Könnte einem der kleine AMG GLC 43 mit V6 und auch nicht faden 367 PS reichen? Im Grunde schon. Doch wer 75 Tausender locker machen kann, derglengt wohl auch knapp über 100 – und in Sachen Sound & Druck ist der 63 mindestens eine Stufe geiler.
Den schwereren Motor merkt man unterwegs kaum, agil lenkt der Top-GLC ein, zumindest für einen zwei Tonnen schweren SUV. Im engen Kurvengeläuf sowie auf der Rennstrecke legt man sich besser nicht mit Ferrari, Lamborghini & KonsorÂten an. Doch dafür kann man Daimlers Hochbau-Athleten jeden Tag fahren. NatürÂlich auch im Winter, in den Urlaub und eigentlich auch zur Arbeit, so der Auspuff-Sound auf brav gestellt ist. Selbst schlimme ÂStraßen schnupft der GLC 63 AMG S dank Luftfederung durchaus rückenÂschonend, und die Neungang-Automatik switcht im ÂNormal-Modus fast unmerklich flott auf eine möglichst hohe ÂFahrstufe. Kann einem so viel Alltags- und Ganzjahrestauglichkeit fad werden? ÂEine dekaÂdente Frage. Die standesgemäße Antwort: Während der ÂKollege aus dem Golfclub für die FeierÂabend-Flitzerei noch schnell nach Hause fahren muss seine Flunder aus der Garage Âholen, sind wir längst über alle Berge.
Daten & Fakten
V8, 32V, Bi-Turbo, 3982 ccm, 510 PS (375 kW) bei 5500–6250/min, max. Drehmoment 700 Nm bei 1750–4500/min, Neungang-Automatik, Allradantrieb, ScheibenÂbremÂsen v/h (bel.), L/B/H 4732/1890/1602 mm, Radstand 2873 mm, 5 Sitze, ReifendiÂmenÂsion 265/45 R 20 (v), 295/40 R 20 (h), Tankinhalt 66 l, KofferraumÂvoÂlumen 500–1400 l, WendeÂkreis 11,8 m, Leergewicht 2020 kg, 0–100 km/h 3,8 sec, Spitze 250 km/h, NormverÂbrauch Mix 10,7 l ROZ 98, CO2 244 g/km
Preis: € 118.300,–