Ausfahrt: Mercedes-AMG GLC Coupé 63 S

26. Februar 2018
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Aktuelles

Dabei hatte sich der SUV gesellschaftlich schon halbwegs erfangen. Das einstige Sinn­bild fürs politisch Unkorrekten ist heute längst in der breiten Mitte der Gesell­schaft an­ge­­kom­men, immer weniger Menschen lästern über die hochbeini­gen Kraxler. Ver­ant­wortlich dafür sind vor allem die kleinen Vertreter dieser Fahrzeug-Klasse, die mit Front­an­trieb und Mini-Mo­toren eine ökonomische und optisch ver­tretbare Form der Ver­nunft eingeführt haben am Hochsitz. Und jetzt das! Im Seg­ment der nicht zu großen und dennoch fami­lien­taug­li­chen Kompakt-SUV knallt AMG einen Boliden in den Schau­raum, der gegen jegliche Ratio und fast alle guten Sitten mit dem Flam­men­werfer zündelt.

Das ist ja der Gipfel! Mercedes GLC als achtzylindriges Topmodell von AMG. Die Abriss­kante am Heck der Coupé-Variante wirkt gar aufgesetzt.

Das ist ja der Gipfel! Mercedes GLC als achtzylindriges Topmodell von AMG. Die Abriss­kante am Heck der Coupé-Variante wirkt gar aufgesetzt.

Das Feuerwerk lässt sich schon im Prospekt erahnen: Einen V8 gab es noch nie in dieser Klasse, 500 PS schon gar nicht. 510 ­Pferde sind es genau gesagt beim S, also in der stär­keren der beiden verfüg­baren Ausbaustufen, die um knapp 12 Tausender Mehr­preis nicht nur 34 PS und 50 Nm zusätzlich kredenzt, sondern auch ein Zoll größe­res Schuh­werk und ein Hinterachs-Sperrdifferenzial. Und wenn schon unvernünftig, dann rich­tig, also zieht man sich den GLC 63 S in der Coupé-Vari­ante rein, die um 2500 Euro mehr spürbar weniger Platz und Nutzwert bietet. Dazu passt das brutale Heck mit der unelegant hohen Karosserielinie samt schmalen Seh­schlitz – der letzte Schrei nach dem Motto: Was kümmern mich die Zurück­geblie­benen im Rück­spiegel?

AMG-Intarsien: kühles Carbon/Alu-Dekor, dazu Sportsitze mit einer perfek- ten Mi­schung aus Seitenhalt und Komfort sowie auf Wunsch auch Belüftung.

AMG-Intarsien: kühles Carbon/Alu-Dekor, dazu Sportsitze mit einer perfekten Mi­schung aus Seitenhalt und Komfort sowie auf Wunsch auch Belüftung.

Wir sind im deutlich sechsstelligen Bereich angelangt, und da ist noch nicht einmal der schaltbare Klappenauspuff um rund 1600 Euro geordert. Natür­lich muss der auch noch mit an Bord – wenn wir schon den 50. Geburtstag der sport­lichen Daim­ler-Tochter feiern, dann wollen wir es richtig krachen lassen. Dazu em­pfiehlt sich als Kontrastmittel die unschuldigste aller Farben, aber natürlich nicht das profane und aufpreisfreie Polarweiß, sondern „Designo Diamantweiß bright“ um 2444 Euro extra. Es wird nicht das letzte Kreuzerl in der Sonder­aus­stat­tungsliste bleiben, dazu sind die Posten zu verführerisch, außer freilich finanziell – auch weil 244 Gramm CO2 31 Prozent NoVA bedeuten, also beinahe Höchststrafe.

Das soll ein Coupé sein? Eleganz steht beim Heck-Design der dynamischeren Karosserie-Variante des GLC nicht im Vordergrund.

Das soll ein Coupé sein? Eleganz steht beim Heck-Design der dynamischeren Karosserie-Variante des GLC nicht im Vordergrund.

Der GLC 63 AMG S ist aber nicht nur der durstigste Kompakt-SUV am Markt, son­dern auch der brutalste – zumindest bis der ­etwas billigere Alfa Stelvio Quadri­foglio die Bühne betreten wird, nachzulesen bei uns in der nächsten Ausgabe. 3,8 Sekun­den auf 100 wird auch Romeo ausrufen, in jedem Fall ist das eine starke ­Ansage Richtung Supersport-Segment, wo sich eigentlich Ferrari, Lambor­ghini & Konsorten tummeln sollten. Beim Match Mailand gegen München könnten Datenanalytiker den nicht limi­tier­ten High­speed in die italienische Waagschale werfen, in dieser Liga könnte frei­lich mehr zählen, dass der Stern mit acht statt „nur“ sechs Zylindern an(d)rückt. Gu­tes Stich­wort: Könnte einem der kleine AMG GLC 43 mit V6 und auch nicht faden 367 PS reichen? Im Grunde schon. Doch wer 75 Tausender locker machen kann, derglengt wohl auch knapp über 100 – und in Sachen Sound & Druck ist der 63 mindestens eine Stufe geiler.

Die beiden Turbos zur Zwangs- beatmung sitzen im heißen V des Acht- zylinders und sprechen flott an.

Die beiden Turbos zur Zwangsbeatmung sitzen im heißen V des Achtzylinders und sprechen flott an.

Den schwereren Motor merkt man unterwegs kaum, agil lenkt der Top-GLC ein, zumindest für einen zwei Tonnen schweren SUV. Im engen Kurvengeläuf sowie auf der Rennstrecke legt man sich besser nicht mit Ferrari, Lamborghini & Konsor­ten an. Doch dafür kann man Daimlers Hochbau-Athleten jeden Tag fahren. Natür­lich auch im Winter, in den Urlaub und eigentlich auch zur Arbeit, so der Auspuff-Sound auf brav gestellt ist. Selbst schlimme ­Straßen schnupft der GLC 63 AMG S dank Luftfederung durchaus rücken­schonend, und die Neungang-Automatik switcht im ­Normal-Modus fast unmerklich flott auf eine möglichst hohe ­Fahrstufe. Kann einem so viel Alltags- und Ganzjahrestauglichkeit fad werden? ­Eine deka­dente Frage. Die standesgemäße Antwort: Während der ­Kollege aus dem Golfclub für die Feier­abend-Flitzerei noch schnell nach Hause fahren muss seine Flunder aus der Garage ­holen, sind wir längst über alle Berge.

Daten & Fakten

V8, 32V, Bi-Turbo, 3982 ccm, 510 PS (375 kW) bei 5500–6250/min, max. Drehmoment 700 Nm bei 1750–4500/min, Neungang-Automatik, Allradantrieb, Scheiben­brem­sen v/h (bel.), L/B/H 4732/1890/1602 mm, Radstand 2873 mm, 5 Sitze, Reifendi­men­sion 265/45 R 20 (v), 295/40 R 20 (h), Tankinhalt 66 l, Kofferraum­vo­lumen 500–1400 l, Wende­kreis 11,8 m, Leergewicht 2020 kg, 0–100 km/h 3,8 sec, Spitze 250 km/h, Normver­brauch Mix 10,7 l ROZ 98, CO2 244 g/km

Preis: € 118.300,–