Glavitzas Gschichtln – Ganz Wien kam in die Steppe

23. Juli 2020
Keine Kommentare
4.322 Views
Feature

Einer der größten Innovatoren während der seligen Pionierjahre des österreichischen Motorsports war der Wiener Kurt Sassarak, legendärer Präsident des RRC 13 (Recent Racing Club 13). Er hatte bei seiner 1000 Minuten-Rallye nicht nur den lokalen Motorsport-Größen mit nahezu unerreichbaren Sollzeiten auf den Sprintetappen ein Höllenfeuer unter den Hintern gezündet und den sonst überzeugungs-befreiten Jochen Rindt zur be­rühmten „Rindt Racing Car Show“ überredet, er brachte als Spitze seiner Geistesblitze auch Auto­cross nach Österreich, das sich dann Ende der Sechziger zu einem riesigen Party-Happening für alle Wiener Promis und Benzin-Adabeis entwickelt hatte.

Gemeinsam mit dem Journalisten und Hobby-Rallyefahrer Gösta Cor­nelius Zwilling lud Sassarak den regierenden Cross-Champion Großbritan­niens, John Taylor, zur Meditation ins Wiener Café „Westend“. Dort erweiterte der sonore Dr. Arnulf Pilhatsch, Multiathlet und vielfacher Rallyemeister, die illustre Runde. Meine Rolle war damals eher untergeordneter Natur. Gösta hatte mich aus unerfindlichen Gründen mitgenommen – nach dem Versprechen, außer höflich zu grüßen einfach mal die „Klappe zu halten“.

Nach einem vielstündigen Gespräch bis lange nach Mitternacht und der Vorführung eines Super 8-Films minderer Qualität ging es am nächsten Tag zu einem steppenartigen Gelände unweit der damals streng bewachten Grenzen gen Ungarn. In einem bescheidenen Landgasthaus eines kleinen Weilers namens Großhöflein stärkte sich die Truppe, bevor man mutigen Schrittes die einsame Steppe besichtigte. John Taylor steckte kleine Äste in den Boden und legte rudimentär den Grundstein für eine zünftige Autocross-Piste. Dann flog er wieder nach Hause. Die Oberste Sportkommission (OSK) hatte, wie hierzulande naturgemäß üblich, gleich einmal etwas dagegen: Da könnt’ ja jeder daherkommen! Schließlich war Autocross auf dem europäischen Kontinent absolutes „Nowhere“-Land.

Kurtl Sassarak gelang es schließlich, nach zähem Bitten und Betteln eine Ausschreibung zu formulieren, in der zuerst nur Einzelstarts zugelassen waren. Immerhin mit dem großzügigen Versprechen, sollte es während der Trainingsläufe zu keinem Blutbad kommen, dürfe man zum Finale Doppel­starts durchführen. Aber nur zwei Fahrer – „Ned olle auf amoi!“ Das erste Rennen füllte die Hügel, als würde Österreich gegen Ungarn Fußball spielen. Pilhatsch holte seinen Rallye-BMW aus der Garage, Walter Roser schärfte die Klingen an seinem Renault Gordini, „Bocherl“ Bochnicek kam mit seinem DS 21 zum Zitronenpressen, und ich bat Austin-Stahl um einen kosmetischen Eingriff in meinen Mini (siehe Bild oben) mit einem Holbay-Formel 3-Motor.

Das erste Autocross in Österreich wurde ein überwältigender Erfolg. Die Kassierer stopften am Ende die Geldscheine nur noch in Schuhschachteln, die Taschen waren alle voll. Der „Kurtl“ hatte schon vor den Finalläufen das nächste „Auto-Woodstock“ im Kopf – und Gösta Zwilling bestellte für mich einen Dünen-Buggy frei nach Steve McQueens „Thomas Crown ist nicht zu fassen“.

Foto: Archiv Glavitza