Es begann an einem verregneten Samstag – wann regnet es eigentlich nicht in Salzburg? – in meiner 4 mal 4 Meter „großen“ Mansarde in Aigen. Die tägliche Arbeit als Konstrukteur einer Kranbaufirma in Gnigl wirkte sich bereits auf meine Sehkräfte aus, und ich beschloss in mir und mit mir, meinem Leben mit einem „Handbrake-Turn“ um 180 Grad eine völlig neue Wendung zu geben. Im Maxglaner Kino hatte ich am Vortag einen Humphrey Bogart-Film gesehen. Trenchcoat, aufgestellter Kragen, Hut tief in der Stirn, ständig eine Zigarette im Mundwinkel – und ausreichend weibliche Partner, die ihm das harte Agentenleben versüßten. Auf dem Heimweg träumte ich von so einem Szenario als meine Rettung aus dem Blues im triefend nassen Lodenland.
Ich holte mir die „Yellow Pages“ vom Hauseigentümer und blätterte in den Detektiv-Annoncen. Ich sah mich schon wohlgeformte Maiden aus den Fängen düsterer Gangster retten, allein die Detekteien waren am Samstag geschlossen – und die Salzburger Bogarts wahrscheinlich im Café Bazar. Während ich enttäuscht die „Gelben Seiten“ zwischen meinen Finger durchrauschen ließ, bemerkte ich unter „Fotoagenten“ zwei Namen und wählte stante pede den ersten – ein Anton Pointner hob nach längerem Läuten ab, sagte in dem üblich gehetzten Agenten-Jargon, er habe nur wenig Zeit, klar, Agenten haben es immer eilig, wie ich es in den Filmen gesehen hatte, trotzdem wolle er mir eine Chance geben, er könne gerade einen guten Fotografen brauchen, und ich möge, so rasch es ginge, in die Nonntaler Straße kommen.
Mein erster Job waren Bilder von einem Trachtenaufmarsch in Maxglan. Ungeheuer aufregend und spannend, und weil ich zu nahe neben der Pauke hergelaufen war, hatte ich nachher fast einen Gehörschaden. Aber egal – es waren meine ersten 30 Schilling pro Bild. Es hatte sich dann während der nächsten Wochenenden wenig geändert.
Spannend wurde es, als ich beim Eisrennen in Zell am See fotografieren durfte und die Bilder persönlich in die Sportredaktion der „Salzburger Nachrichten“ bringen musste – und das erste Mal das wilde Treiben eines Sonntagnachmittags in der Redaktion sozusagen live erlebte. Während ich verschreckt den Journalisten und vor allem dem kräftig gebauten Sportchef zusah, wandte der sich plötzlich zu mir und brüllte: »Wos stehst’n bled herum – wo is de G’schicht?« Ich nickte verschreckt (sonst bei mir selten), setzte mich an einen der freien Schreibtische, spannte ein Blatt Papier ein, sah am Nebentisch, dass dort mit eineinhalb Zeilen Abstand gearbeitet wurde und begann meine „G’schicht“.
Als ich fertig war und mich stolz zurücklehnte, um mein literarisches Meisterwerk zu betrachten – Goethe hatte das sicherlich auch so gemacht –, donnerte plötzlich der Sportchef neben mir, warum ich »so dumm dreinschau’ – zum Schmäführ’n hamma ka Zeit«, riss das Blatt aus der Maschine und verschwand mit meinem Elaborat auf seinen Schreibtisch. Ich war an Bord. Am nächsten Tag schlich ich durchs Café Bazar und überprüfte alle Leser der „Salzburger Nachrichten“, ob sie auch brav meine G’schicht lasen…
Foto: Archiv Glavitza