Um das herauszufinden, griffen wir bewusst nicht zur Topversion, die das Bild zu sehr verfälschen würde und die ohnehin kaum jemand kauft. Stattdessen entschieden wir uns für eine für Österreich sehr typische Variante: einen nicht zu großen, aber auch nicht zu schwachen Benziner, kombiniert mit der sportlichsten Ausstattung ST-Line. Das bedeutet: Von den zwei angebotenen Benzinmotoren, die beide nur mehr drei Zylinder haben, kommt hier der kleinere mit einem Liter Hubraum zum Zug. 125 PS und 170 Newtonmeter klingen nicht nach überragend viel. Sie stehen aber schon knapp über Leerlaufdrehzahl zur Verfügung.

Interessant neben dieser Bestückung auch ein echtes konstruktives Novum: Die aufwändige Mehrlenker-Hinterachse – seit Anfang an das Alleinstellungsmerkmal des Focus in der Kompaktklasse – bleibt ab sofort nur mehr den stärkeren Versionen mit mindestens 150 PS vorbehalten.
Was gleich nach dem Reinsetzen auffällt: Platzmäßig hat Ford eine ziemliche Punktlandung gemacht. Es gibt in beiden Reihen genügend Raum für alle Gliedmaßen, vor allem die Kniefreiheit im Fond überrascht positiv. Ansonsten bietet der Kompakte zwar nur minimal mehr als sein Vorgänger, doch oft machen eben wenige Zentimeter den entscheidenden Unterschied.
Im Cockpit ist alles angenehm um den Fahrer herum gebaut und gut erreichbar. Gleichzeitig wirkt alles nicht mehr so einengend wie bisher, und tatsächlich gibt es nur ein Bedienelement, das nicht so gut erreichbar ist: der Start-Knopf.

Dennoch: Die schlaue Cockpit-Gestaltung hat positive Auswirkungen auf die Ergonomie-Wertung. Hier vertraut Ford auf die gleichen Zutaten wie beim Fiesta, nämlich minimalste Knopferl-Bestückung. Dafür gibt es einen hoch positionierten Touchscreen mit logischer Bedienführung. Schnell findet man sich in den Menüs zurecht, und so kann es als kleiner Schönheitsfehler angesehen werden, dass in manchen Menüpunkten die Uhrzeit nicht eingeblendet wird und sich das optionale induktive Handyladen selbst deaktiviert, wenn das in der Konsole liegende Smartphone etwas verrutscht. Da ärgert es schon mehr, dass die Übersicht nach hinten etwas enttäuschend ist – der Griff zur 189 Euro billigen Rückfahrkamera wird da fast schon unvermeidlich.
Eine Frage, die natürlich noch auf der Zunge brennt: Wäre der 120 PS-Diesel nicht die bessere Wahl? Sicher, er kostet 1700 Euro mehr, hat dafür aber vier Zylinder, einen halben Liter mehr Hubraum und mit 300 Newtonmeter auch fast doppelt so viel Drehmoment. Aber: Der zu erwartende Verbrauchs-Vorteil von (theoretisch) einem halben Liter rechtfertigt für den klassischen Privatnutzer wohl kaum die Mehrkosten.
Zudem läuft der kleine EcoBoost nicht nur leiser und vibrationsärmer. Er bietet auch eine überraschende Drehfreude, gleichwohl man für normales Vorankommen meist nur das untere Drehzahlband benötigt. Die eingangs erwähnten 170 Newtonmeter sind vielleicht nicht der Hammer, doch sie sind praktisch immer verfügbar, was völlig ausreicht. So muss man selbst auf der Autobahn nicht zurückschalten, wenn es einmal bergauf gehen soll.
Außerdem spart der Selbstzünder-Verzicht ganze 40 Kilo ein, was immense Vorteile beim Fahrverhalten bringt. Die zielgenaue Lenkung gehört zu den besten, und zwar nicht nur im Segment. Die Federung schafft es trotz straffer Abstimmung, selbst kurze Stöße wegzudämpfen. Und auch die Bremsen zeigen sich im Rahmen unserer Tests auf dem Driving Camp in Pachfurth sogar bei maximaler Zuladung von jeder Beanspruchung unbeeindruckt.

Gespannt waren wir, wie sich die einfache Verbundlenkerachse schlägt. Bei normaler Fahrt ist der Focus agil und leichtfüßig wie eh und je. Nicht jedoch beim Slalom oder dem Ausweichtest – also überall dort, wo abrupte Lastwechsel auftauchen. Dann wird der Ford zum spontanen Übersteuerer, was schnelles Umdenken verlangt: Da die Hinterachse so eifrig mitschwenkt, ist viel weniger Arbeit am Lenkrad gefragt. Hier agiert die Mehrlenker-Konstruktion der stärkeren Varianten definitiv linearer.
Das hielt unseren Focus aber nicht davon ab, mit erstaunlichen Fahrwerten zu beeindrucken. Nicht nur was die erzielten Geschwindigkeiten im Pylonen-Parcous anlangt, auch die gefahrenen Zeiten im Tracktest sind für ein 125 PS-Auto tadellos und liegen auf dem Niveau des 182 PS starken Honda Civic (obgleich Letzterer mit Winterreifen antreten musste).
Wie auch immer: Die Kölner haben ein hochwertiges Stück Automobil abgeliefert, das nur wenig falsch und fast alles richtig macht. Und damit die klassische Kompaktklasse perfekt abdeckt.
Fahrwerk & Traktion – Als ST Line definitiv auf der straffen Seite angesiedelt, dennoch mit erstaunlichem Schluckvermögen. Auch die optionalen 18-Zöller sorgen selbst bei kurzen Stößen nicht für schlechtes Einfedern. Weitgehend neutral abgestimmt, im Grenzbereich sanft untersteuernd – Heck dabei nicht frei von Lastwechsel-Tendenzen. Sehr gute Traktion dank teurer Michelin- Gummis. Lenkung und Bremsen top.
Cockpit & Bedienung – Gute Ergonomie, dank logisch angeordneter Knöpfe am Lenkrad, wenigen Bedienelementen am Armaturenbrett. Viele Funktionen in den leicht zu durchschauenden Untermenüs im Touchscreen zusammengefasst. Angenehme, etwas tiefe Sitzposition auf bequemem Gestühl. Übersicht nach hinten schlecht, Rückfahrkamera fast Pflicht. Ausreichend Ablagen.
Innen- & Kofferraum – Innen nur minimal geräumiger als der Vorgänger. Vorne gute Platzverhältnisse, im Fond erstaunlich viel Kniefreiheit. Kofferraum: sehr breit und tief, die schräge Heckscheibe kostet ein großes Stück Nutzbarkeit. Erweiterbar mittels 2:1 Umlege-Fondlehnen, die im Ladeboden jedoch eine Stufe hinterlassen.
Dran & Drin – Auch der ST-Line ist ab Werk nicht übermäßig gut bestückt. Viele Optionen, teils in einer unüberschaubar großen Anzahl zu Paketen zusammengefasst. Achtgang-Automatik gegen 2150 Euro extra. Gelungen: Material-Wahl und Verarbeitung.
Schutz & Sicherheit – Standardmäßige Bestückung an E-Fahrhilfen und Assistenzsystemen. Mehr davon gibt es gegen Aufpreis, auch in Paketen. Interessantes Novum: Der Falschfahr-Warner meldet sich, wenn man im Begriff ist, zum Geisterfahrer zu werden.
Sauber & Grün – Wer den kleinen Benziner oft fordert, wird knapp acht Liter verbrauchen. Schaltet man freilich früh hoch, kommt man erstaunlich nah an die Werksangabe. Start/Stopp-System arbeitet flott und beinahe unmerklich – ebenso die Zylinderabschaltung.
Preis & Kosten – Fair gepreist in der Dreizylinder-Benziner-Fraktion. Ein vergleichbarer Golf kostet ein paar tausend Euro mehr. Ein Kia Ceed ist zwar spürbar billiger, aber etwas magerer bestückt. Toll: fünf Jahre Neuwagen-Garantie. Solide Werthaltung realistisch.