Großer Test: Ford Focus 1,0 EcoBoost ST-Line

8. Januar 2019
Keine Kommentare
17.106 Views
Tests

FAHRZEUGDATEN

Marke:Ford
Klasse:Kompaktwagen
Antrieb:Vorderrad
Treibstoff:Benzin
Leistung:125 PS
Testverbrauch:6,3 l/100km
Modelljahr:2018
Grundpreis:24.380 Euro

Noch nie zuvor hatte es die Golfklasse so schwer wie heute. SUV in verschiedenen Größen und Formen knabbern diesem ehema­ligen Massen-Segment immer mehr Kunden weg. Und dennoch spricht Ford selbst in der Werbung über den neuen Focus vom besten Auto, das man je gebaut hat. Kann die vierte Generation dieses Versprechen einhalten?
Um das herauszufinden, griffen wir bewusst nicht zur Topversion, die das Bild zu sehr verfälschen würde und die ohnehin kaum jemand kauft. Stattdessen ent­schieden wir uns für eine für Österreich sehr typische Variante: einen nicht zu großen, aber auch nicht zu schwachen Benziner, kombiniert mit der sportlichsten Ausstat­tung ST-Line. Das bedeutet: Von den zwei an­­gebotenen Benzinmotoren, die beide nur mehr drei ­Zylinder haben, kommt hier der kleinere mit einem Liter Hubraum zum Zug. 125 PS und 170 Newtonmeter klingen nicht nach überragend viel. Sie stehen aber schon knapp über Leerlaufdrehzahl zur Verfügung.

Der ST-Line sieht dank anderer Schürzen und Räder betont dynamisch aus. Die verbauten 18-Zöller kosten aber noch einmal extra.

Der ST-Line sieht dank anderer Schürzen und Räder betont dynamisch aus. Die verbauten 18-Zöller kosten aber noch einmal extra.

Interessant neben dieser Bestückung auch ein echtes konstruktives Novum: Die aufwändige ­Mehrlenker-Hinterachse – seit Anfang an das Alleinstellungsmerkmal des Focus in der Kompaktklasse – bleibt ab sofort nur mehr den stärkeren Versionen mit mindestens 150 PS vorbehalten.

Was gleich nach dem Reinsetzen auffällt: Platzmäßig hat Ford eine ziemliche Punkt­lan­dung gemacht. Es gibt in beiden Reihen genügend Raum für alle Gliedmaßen, vor allem die Kniefreiheit im Fond überrascht positiv. Ansonsten bietet der Kompakte zwar nur minimal mehr als sein Vorgänger, doch oft machen eben wenige Zentimeter den entscheidenden Un­­terschied.

Im Cockpit ist alles angenehm um den Fahrer herum gebaut und gut erreichbar. Gleichzeitig wirkt alles nicht mehr so einengend wie bisher, und tatsächlich gibt es nur ein Bedienelement, das nicht so gut erreichbar ist: der Start-Knopf.

Trotz einfacher Verbundlenker-Hinterachse ist der neue Focus schnell und agil. Er übersteuert bei Last- wechsel aber stärker als sein Vorgänger.

Trotz einfacher Verbundlenker-Hinterachse ist der neue Focus schnell und agil. Er übersteuert bei Lastwechsel aber stärker als sein Vorgänger.

 

Dennoch: Die schlaue Cockpit-Gestaltung hat positive Auswirkungen auf die Ergonomie-Wertung. Hier vertraut Ford auf die gleichen Zutaten wie beim Fiesta, nämlich minimalste Knopferl-Bestückung. Dafür gibt es einen hoch positionierten Touchscreen mit logischer Be­­dienführung. Schnell findet man sich in den Menüs zurecht, und so kann es als kleiner Schönheitsfehler angesehen werden, dass in manchen Menüpunkten die Uhrzeit nicht eingeblendet wird und sich das optionale induktive Handyladen selbst deaktiviert, wenn das in der Konsole liegende Smartphone etwas verrutscht. Da ärgert es schon mehr, dass die Übersicht nach hinten etwas enttäuschend ist – der Griff zur 189 Euro billigen Rückfahrkamera wird da fast schon unvermeidlich.

Eine Frage, die natürlich noch auf der Zunge brennt: Wäre der 120 PS-Diesel nicht die bessere Wahl? Sicher, er kostet 1700 Euro mehr, hat dafür aber vier Zylinder, einen halben Liter mehr Hubraum und mit 300 Newtonmeter auch fast doppelt so viel Drehmoment. Aber: Der zu erwartende Verbrauchs-Vorteil von (theoretisch) einem halben Liter rechtfertigt für den klassischen Privatnutzer wohl kaum die Mehrkosten.

 

Zudem läuft der kleine Eco­Boost nicht nur leiser und vibra­tionsärmer. Er bietet auch eine überraschende Drehfreude, gleichwohl man für normales Vorankommen meist nur das untere Drehzahlband benötigt. Die eingangs erwähnten 170 Newtonmeter sind vielleicht nicht der Hammer, doch sie sind praktisch immer verfügbar, was völlig ausreicht. So muss man selbst auf der Autobahn nicht zurückschal­ten, wenn es einmal bergauf gehen soll.

Außerdem spart der Selbstzünder-Verzicht ganze 40 Kilo ein, was immense Vorteile beim Fahrverhalten bringt. Die zielgenaue Lenkung gehört zu den besten, und zwar nicht nur im Segment. Die Federung schafft es trotz straffer Abstimmung, selbst kurze Stöße wegzudämpfen. Und auch die Bremsen zeigen sich im Rahmen unserer Tests auf dem Driving Camp in Pachfurth sogar bei maximaler Zuladung von jeder Beanspruchung unbeeindruckt.

Focus-Verzögerung: Top-Bremsen auch auf einseitigem Rutschbelag.

Focus-Verzögerung: Top-Bremsen auch auf einseitigem Rutschbelag.

 

Gespannt waren wir, wie sich die einfache ­Verbundlen­ker­achse schlägt. Bei normaler Fahrt ist der Focus agil und leichtfüßig wie eh und je. Nicht jedoch beim Slalom oder dem Ausweichtest – also überall dort, wo abrupte Lastwechsel auf­tau­chen. Dann wird der Ford zum spontanen Übersteuerer, was schnelles Umden­ken verlangt: Da die Hinterachse so eifrig mitschwenkt, ist viel weniger Arbeit am Lenkrad gefragt. Hier agiert die Mehrlenker-Konstruktion der stärkeren Varianten ­definitiv li­­nearer.

Das hielt unseren Focus aber nicht davon ab, mit erstaunlichen Fahrwerten zu beeindrucken. Nicht nur was die ­erzielten Geschwindigkeiten im Pylonen-Parcous anlangt, auch die gefahrenen Zeiten im Tracktest sind für ein 125 PS-Auto tadellos und liegen auf dem Niveau des 182 PS starken Honda Civic (ob­gleich Letzterer mit Winterreifen an­­treten musste).
Wie auch immer: Die Kölner haben ein hochwertiges Stück Automobil abgeliefert, das nur wenig falsch und fast alles richtig macht. Und damit die klassische Kompaktklasse perfekt abdeckt.

Motor & Getriebe – Der ein Liter große Dreizylinder läuft erstaunlich leise und bietet ausreichendes Dreh­moment, das schon knapp über der Leerlaufdrehzahl zur Verfügung steht. Hohe Drehfreude, ordentliche Fahrleistungen. Das Getriebe ist knackig abgestuft und lässt sich leicht schalten.

Fahrwerk & Traktion – Als ST Line definitiv auf der straffen Seite angesiedelt, dennoch mit erstaunlichem Schluckvermögen. Auch die optionalen 18-Zöller sorgen selbst bei kurzen Stößen nicht für schlechtes Einfedern. Weitgehend neutral abgestimmt, im Grenzbereich sanft untersteuernd – Heck dabei nicht frei von Lastwechsel-Tendenzen. Sehr gute Trak­tion dank teurer ­Michelin- Gummis. Lenkung und Bremsen top.

Cockpit & Bedienung – Gute Ergonomie, dank logisch angeordneter Knöpfe am Lenkrad, wenigen Bedien­elementen am Armaturenbrett. Viele Funktionen in den leicht zu durchschauenden Untermenüs im Touchscreen zusammengefasst. Angenehme, etwas tiefe Sitz­position auf bequemem Gestühl. Übersicht nach hinten schlecht, Rückfahrkamera fast Pflicht. Ausreichend Ablagen.

Innen- & Kofferraum – Innen nur minimal geräumiger als der Vorgänger. Vorne gute Platzverhältnisse, im Fond erstaunlich viel Kniefreiheit. Kofferraum: sehr breit und tief, die schräge Heckscheibe kostet ein großes Stück Nutzbarkeit. Erweiterbar mittels 2:1 Umlege-Fondlehnen, die im Ladeboden jedoch eine Stufe hinterlassen.

Dran & Drin – Auch der ST-Line ist ab Werk nicht übermäßig gut bestückt. Viele Op­tionen, teils in einer unüberschaubar großen Anzahl zu Paketen zusammengefasst. Achtgang-Automatik gegen 2150 Euro extra. Gelunge­n: Material-Wahl und Verarbeitung.

Schutz & Sicherheit – Standardmäßige Bestückung an E-Fahrhilfen und Assistenzsystemen. Mehr davon gibt es gegen Aufpreis, auch in Paketen. Interessantes ­Novum: Der Falschfahr-Warner meldet sich, wenn man im Begriff ist, zum Geisterfahrer zu werden.

Sauber & Grün – Wer den kleinen Benziner oft fordert, wird knapp acht Liter verbrauchen. Schaltet man freilich früh hoch, kommt man erstaunlich nah an die Werksangabe. Start/Stopp-System arbeitet flott und beinahe unmerklich – ebenso die Zylinderabschaltung.

Preis & Kosten – Fair gepreist in der Dreizylinder-Benziner-Fraktion. Ein vergleich­barer Golf kostet ein paar tausend Euro mehr. Ein Kia Ceed ist zwar spürbar billiger, aber etwas magerer bestückt. Toll: fünf Jahre Neuwagen-Garantie. Solide Werthaltung realistisch.

ford_focus_40_may

Das Focus-Cockpit gefällt mit gutem Platzangebot und durchdachter Ergonomie. Die Sitzposition ist tadellos, für manche Geschmäcker aber etwas zu tief.

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Noch nie zuvor hatte es die Golfklasse so schwer wie heute. SUV in verschiedenen Größen und Formen knabbern diesem ehema­ligen Massen-Segment immer mehr Kunden weg. Und dennoch spricht Ford selbst in der Werbung über den neuen Focus vom besten Auto, das man je gebaut hat. Kann die vierte Generation dieses Versprechen einhalten? Um das herauszufinden, griffen wir bewusst nicht zur Topversion, die das Bild zu sehr verfälschen würde und die ohnehin kaum jemand kauft. Stattdessen ent­schieden wir uns für eine für Österreich sehr typische Variante: einen nicht zu großen, aber auch nicht zu schwachen Benziner, kombiniert mit der sportlichsten Ausstat­tung ST-Line. Das bedeutet: Von den zwei an­­gebotenen Benzinmotoren, die beide nur mehr drei ­Zylinder haben, kommt hier der kleinere mit einem Liter Hubraum zum Zug. 125 PS und 170 Newtonmeter klingen nicht nach überragend viel. Sie stehen aber schon knapp über Leerlaufdrehzahl zur Verfügung. [caption id="attachment_32180" align="aligncenter" width="940"] Der ST-Line sieht dank anderer Schürzen und Räder betont dynamisch aus. Die verbauten 18-Zöller kosten aber noch einmal extra.[/caption] Interessant neben dieser Bestückung auch ein echtes konstruktives Novum: Die aufwändige ­Mehrlenker-Hinterachse – seit Anfang an das Alleinstellungsmerkmal des Focus in der Kompaktklasse – bleibt ab sofort nur mehr den stärkeren Versionen mit mindestens 150 PS vorbehalten. Was gleich nach dem Reinsetzen auffällt: Platzmäßig hat Ford eine ziemliche Punkt­lan­dung gemacht. Es gibt in beiden Reihen genügend Raum für alle Gliedmaßen, vor allem die Kniefreiheit im Fond überrascht positiv. Ansonsten bietet der Kompakte zwar nur minimal mehr als sein Vorgänger, doch oft machen eben wenige Zentimeter den entscheidenden Un­­terschied. Im Cockpit ist alles angenehm um den Fahrer herum gebaut und gut erreichbar. Gleichzeitig wirkt alles nicht mehr so einengend wie bisher, und tatsächlich gibt es nur ein Bedienelement, das nicht so gut erreichbar ist: der Start-Knopf. [caption id="attachment_32179" align="aligncenter" width="940"] Trotz einfacher Verbundlenker-Hinterachse ist der neue Focus schnell und agil. Er übersteuert bei Lastwechsel aber stärker als sein Vorgänger.[/caption]   Dennoch: Die schlaue Cockpit-Gestaltung hat positive Auswirkungen auf die Ergonomie-Wertung. Hier vertraut Ford auf die gleichen Zutaten wie beim Fiesta, nämlich minimalste Knopferl-Bestückung. Dafür gibt es einen hoch positionierten Touchscreen mit logischer Be­­dienführung. Schnell findet man sich in den Menüs zurecht, und so kann es als kleiner Schönheitsfehler angesehen werden, dass in manchen Menüpunkten die Uhrzeit nicht eingeblendet wird und sich das optionale induktive Handyladen selbst deaktiviert, wenn das in der Konsole liegende Smartphone etwas verrutscht. Da ärgert es schon mehr, dass die Übersicht nach hinten etwas enttäuschend ist – der Griff zur 189 Euro billigen Rückfahrkamera wird da fast schon unvermeidlich. Eine Frage, die natürlich noch auf der Zunge brennt: Wäre der 120 PS-Diesel nicht die bessere Wahl? Sicher, er kostet 1700 Euro mehr, hat dafür aber vier Zylinder, einen halben Liter mehr Hubraum und mit 300 Newtonmeter auch fast doppelt so viel Drehmoment. Aber: Der zu erwartende Verbrauchs-Vorteil von (theoretisch) einem halben Liter rechtfertigt für den klassischen Privatnutzer wohl kaum die Mehrkosten. [gallery columns="4" size="mediaholder-medium" ids="32189,32188,32187,32184" link="file"]   Zudem läuft der kleine Eco­Boost nicht nur leiser und vibra­tionsärmer. Er bietet auch eine überraschende…

6.8

FAZIT

Der neue Focus zeigt einmal mehr, warum die Kompaktklasse so beliebt ist: Mehr braucht eigentlich niemand. Das gilt auch für den Motor mit nur einem Liter Hub­raum und 125 PS.

Motor & Getriebe
Fahrwerk & Traktion
Cockpit & Bedienung
Innen- & Kofferraum
Dran & Drin
Schutz & Sicherheit
Sauber & Grün
Preis & Kosten
User-Wertung : 2.52 ( 51 Stimmen)
7

R3, 12V, 998 ccm, 125 PS (92 kW) bei 6000/min, max. Drehmoment 170 Nm bei 1400-4500/min, Sechsgang-Getriebe, Vorderradantrieb, Scheibenbremsen v/h (v. bel.), L/B/H 4387/1825/1452 mm, Radstand 2700 mm, 5 Sitze, Wendekreis 10,7 m, Reifendimen­sion 215/50 R 17, Tankinhalt 52 l, Reichweite 825 km, Kofferraumvolumen 341–1320 l, Leergewicht 1322 kg, zul. Gesamtgewicht 1855 kg, 0–100 km/h 10,0 sec, 60–100 km/h (im 4./5. Gang) 8,4/9,9 sec, Spitze 200 km/h, Steuer (jährl.) € 506,88, Werkstätten in Österreich 193, Service alle 20.000 km (mind. 1x/Jahr), Normverbrauch (Stadt/außerorts/Mix) 5,9/4,2/4,9 l, Testverbrauch 6,3 l ROZ 95, CO2 (Norm/Test) 111/145 g/km

Front- und vordere Seitenairbags, durchgehende Kopfairbag-Vorhänge, Spurhalte- und Brems-Assistent, Auffahr-Warner mit Fußgänger- und Radfahrer-Erkennung, Licht-Sensor, Bordcomputer, höhenverst. Fahrersitz, vier E-Fensterheber, 6,5 Zoll Touchscreen-Radio mit USB-Slot und 6 LS, Sportsitze, 17 Zoll-Aluräder, Klimaanlage, ST-Bodykit, schwarzer Innenhimmel, Sportfahrwerk, Multifunktions-Sportlederlenkrad, LED-Nebelscheinwerfer, Tempomat, FB-Zentralsperre etc.

Technologie-Paket (Abstandsregel-Tempomat, Ausweich-Assistent, Müdigkeits-Warner, Verkehrszeichen-Erkennung etc.) € 496,–, Design-Paket (Voll-LED-Scheinwerfer inkl. Fernlicht-Assistent und Kurvenlicht, getönte Fondscheiben, autom. abblendend. Innenspiegel, LED-Rückleuchten, Regensensor, 18 Zoll-Aluräder etc.) € 909,–, Komfort-Paket (schlüsselloser Zugang, Klimaautomatik, Coming Home-Funktion) € 537,–, Family-Paket (höhenverst. Beifahrersitz, Rückbank mit Durchlade-Klappe, Kindersicherung h, Mittelarmlehne h) € 207,–, Park-Paket (Einpark-Assistent, Einparkhilfe v+h, Rückfahrkamera, Türkantenschutz) € 744,–, Styling-Paket (Carbon-Intarsien, rote Bremssättel, Dachkantenspoiler, Knieabstützung, rot abgesteppte Fußmatten) € 455,–, Winter-Paket (beheizb. Windschutzscheibe, Lenkrad-Heizung, Sitzheizung v) € 331,–, Rückfahrkamera mit Split-View € 189,–, Toter-Winkel-Assistent € 413,–, Headup-Display € 397,–, 8 Zoll-Touchscreen € 603,–, Panorama-Schiebedach € 992,–, Dach in Kontrastfarbe € 248,–, Teilleder-Ausstattung € 496,–, induktives Handyladen € 141,–, Metallic-Lack € 579,– etc.