Interview mit Motoren-Guru Friedrich Indra

9. Dezember 2021
Keine Kommentare
6.646 Views
Aktuelles

ALLES AUTO: Herr Professor, wie be­trachten Sie die aktuelle Entwicklung, die allgemein als „Mobilitätswende“ bezeichnet wird?

Indra: Das ist insgesamt eine fürchter­liche Situation, weil die Politik und die meisten ­Medien den Eindruck erwecken, dass Elektromobilität eine saubere Sache ist und die Welt retten wird. Das Batterie-Problem wird dabei einfach unter den Tisch gekehrt.

ALLES AUTO: Wo liegt ­Ihrer Ansicht nach die Problematik?

Indra: In Europa wird das Elektroauto per Dekret für sauber erklärt. Die Wahrheit ist aber, dass in seiner Herstellung mindestens doppelt so viel Energie verbraucht wird wie für die Produktion eines Verbrennungsmotor-Pkw – der Grund ­dafür ist die Batterie.

ALLES AUTO: Sie spielen damit auf das Thema „schmutziger Strom“ in China an…

Indra: 80 bis 90 Prozent aller Batteriezellen kommen aus Asien, hauptsächlich aus China, wo diese Energie auf die denkbar schmutzigste und klimabelastendste Art produziert wird, weil vorrangig in Kohlekraftwerken. Die Politik muss endlich ­lernen, das Klima global zu sehen.

ALLES AUTO: Wäre es dann nicht die ­Lösung, Batterien in Europa mit Öko-Strom herzustellen?

Indra: Das ist leider „wishful thinking“. China hat sich sämtliche Zugriffe auf die Rohstoffe, hauptsächlich Lithium, und die seltenen Erden gesichert und genießt daher eine Vormacht-, wenn nicht Monopol-­Stellung in der Lieferkette.

ALLES AUTO: Wie sieht es Ihrer Meinung nach mit dem Thema grüner Strom für ­E-Autos aus?

Indra: Das ist zusätzlicher Strombedarf zu unserem jetzigen Energiekonsum. Aus „sauberen“ Quellen kann der nicht mehr kommen, weil es davon jetzt schon zu ­wenige gibt und jedes Land seinen Öko-Strom laufend selbst verbraucht. Der Mehrbedarf kann also nur mit Import-Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken gedeckt werden und macht unseren Mix damit automatisch schmutziger. Die ein­zige Art, ihn sauberer zu machen, ist ­generell weniger Strom zu verbrauchen.

ALLES AUTO: Die Befürworter der E-­Mobilität argumentieren, dass dieser Mehrbedarf durch die Einsparung von Energie in der Erdölindustrie, den Raffinerien, Transport, Infrastruktur etc. ­wieder ausgeglichen wird…

Indra: Das ist schon rechnerisch schwer nachzuvollziehen. Die Leute glauben, dass man anderswo nicht mehr benötigten Strom ohne Verlust transportieren kann – tatsäch­lich bleibt da kein positives Ergebnis übrig. Was ich tausende Kilometer entfernt einspare, fließt deswegen nicht aus einer heimischen Steckdose.

ALLES AUTO: Wie beurteilen Sie die ­finanzielle Förderung von E-Mobilität?

Indra: Ein wirtschaftlicher Alptraum. ­Interne Studien der Branche weisen aus, dass es künftig immer schwieriger wird, Kunden für E-Autos zu finden. Die ersten zehn Prozent sind leicht, das sind die Neugierigen und „early adopters, die nächsten zehn schon viel schwieriger, danach bin ich gespannt. Die Deutsche Bank hat errechnet, dass jedes Elektroauto den Staat in Summe 20.000 Euro kostet, an Förderungen, entgangenen Steuern, direkt und indirekt in der Umweg-Rentabilität. Und das Schlimmste daran: Die Milliarden, die da hineingesteckt werden, leisten keinen ­Beitrag zum Klimaschutz.

ALLES AUTO: Sehen Sie beim E-Auto grundsätzlich das Potenzial, den thermisch angetriebenen Pkw zu ersetzen? Ohne weiteres auch im Zuge einer Än­derung unseres Mobilitätsverhaltens, also selektiver und geplanter unterwegs zu sein, Ladeplätze vorzureservieren, tatsächlich notwendige Distanzen zu be­rechnen etc.

Indra: Nein. Weil der Wunsch des Menschen nach der möglichst freien Fortbewegung ungebrochen ist. Tag, Nacht, Sommer, Winter, mit Familie, Anhänger dran oder Surf­brett oben drauf. Komplizierte Überlegungen sind genau das, was der Kunde nicht will. Er hat ja heute ein Fortbewegungsmittel, das alle seine Anforderungen erfüllt. Dazu im Gegen­satz zum E-Auto leistbar und mit einem Zeitwert beim ­Weiterverkauf, den ein Stromer auch nicht hat, weil es dann unbrauchbar ist und entsorgt werden muss. In Summe ist es einfach nicht gut genug, um eine echte Alternative für den konventionellen Pkw zu werden.

ALLES AUTO: Angeblich liegt aber alles nur am nicht ausreichend ausgebauten Ladenetz…

Indra: Alles, was den Nutzungsgrad gegenüber dem heutigen Verbrennungsmotor-Auto verschlechtert, kann sich nicht durchsetzen. Ladezeiten, Stromversorgung, Infrastruktur – die Wunschvorstellung, dass das alles bis 2030 für das E-­Auto auf heutigem Qualitäts- und Komfort-­Niveau liegen soll, ist nicht machbar.

ALLES AUTO: 2030 soll sich aber etwa laut Herbert Diess VW schon vollständig vom Verbrennungsmotor verabschiedet haben…

Indra (lacht herzlich)

ALLES AUTO: Was also sollen wir denn ­eigentlich in Sachen Mobilität machen?

Indra: Wir müssen das Klima endlich global betrachten, gesamtheitlich. Bei ­jedem Pro­dukt – egal, ob Waschmaschine oder Auto – zählen Herstellung, Nutzung und Entsor­gung.

ALLES AUTO: Ein gutes Stichwort: Ent­sorgung. Alle Berechnungen, die dem E-Auto eine bessere Energiebilanz als dem thermisch angetriebenen Pkw attestieren, stützen sich dafür auf eine Weiterver­wendung der Batterien, meist „second life“­ ­genannt, und ihr Recycling…

Indra: Gemessen an der Entsorgungsquote dürfte ein E-Auto in Europa gar nicht ver­kauft werden. Es erfüllt die verpflichtende Recycling-Rate nicht, weil die Batterien tat­sächlich nicht recycelt werden. Ganz einfach, weil es teurer ist, das Lithium zu extra­hieren als „neues“ zu ­verwenden. „Second Life“ wurde in China mit einer Weiterver­wendung als Haus-Speicheranlagen auch schon versucht, ist aber äußerst kompliziert. Aus dem Auto entnommen, fehlt der Batterie erst einmal die Kühlung. Wegen zahlrei­cher Brände ist diese Weiterverwendung in China schon wieder verboten.

ALLES AUTO: Ebenfalls ein gutes Stichwort: Fahrzeug-Brände. Zuletzt haben vor allem Elektro-Busse, etwa in Stuttgart, für Schlagzeilen gesorgt, weil sie während
des Aufladens über Nacht Feuer gefangen haben…

Indra: Das Problem ist, dass mit der Anzahl der Zellen, die in einer Batterie verbaut sind, das Risiko eines Brandes exponentiell steigt. Wenn eine einzige davon den geringsten Schaden hat, etwa einen Haarriss, hat das katastrophale Folgen. Die Statistiken, die heute ausweisen, dass Autos mit Verbrennungsmotor öfter brennen, ­berücksichtigen nicht Anzahl, Alter und Kilometerleistungen. Ich möchte nicht wissen, wie schlecht einige der Top-Manager schlafen, weil das Brand-Risiko mit dem Alter der Batterien und der Zahl der Be- und Entladevorgänge laufend höher wird. Noch haben wir ja praktisch keine wirklich alten Elektroautos in Betrieb.

ALLES AUTO: Ist Wasserstoff-Antrieb eine denkbare Elektro-Alternative?

Indra: Wasserstoff macht nur Sinn, wenn ich ihn direkt verbrenne. Die Wandlung von Energie – hier eben von Wasserstoff in Strom an Bord des Autos – ist grundsätzlich ein Ingenieurs-Alptraum. Das gleiche gilt übrigens auch für die sogenannten Range Extender in E-Autos. Das Hauptproblem beim Wasserstoff ist aber die viel zu komplizierte, (energie-)auf­wändige Tank-Infrastruktur mit Hochdruck und Niedrigtemperatur.

ALLES AUTO: Was uns gleich in direkter Linie zum weiterführenden Produkt, den E-­Fuels, führt. Ihre Meinung dazu?

Indra: Tatsächlich ist das die einzige ­Lösung. Ihre Behinderung durch die ­Politik beweist, dass es ihr überhaupt nicht um das Klima geht. Wäre das so, dann wäre es ihr dringendstes Anliegen,
so rasch wie möglich etwas für den Fahrzeugbestand von über einer Milliarde Pkw weltweit zu machen. Die E-Fuels brauchen keine neue Infrastruktur und sind CO2-neutral, aber politisch nicht gewollt, weil kein Wandel. Obwohl die E-Mobilität ja tatsächlich auch keiner ist.

ALLES AUTO: Das Gegenargument lautet, dass der Energiebedarf für die Herstellung der E-Fuels zu hoch ist…

Indra: So etwas muss sehr genau kal­kuliert werden. Sinnvoll ist es etwa, wie Porsche und Siemens es machen, so eine Produktion in Chile aufzubauen, wo ausreichend Wind- und Solarenergie verfügbar gemacht werden können. Damit wird die Herstellung preislich und ökologisch interessant.

ALLES AUTO: Wäre es dann aber nicht am sinnvollsten, dort stattdessen lieber Akkus für E-Autos zu bauen und sie damit ­„sauber“ herzustellen?

Indra: Unser hiesiges Stromproblem beim Laden besteht dann aber immer noch und auch, dass E-Autos insgesamt eben das schlechtere Mobilitäts-Angebot sind. Es geht auch darum, wer am Ende die wirkliche Zukunftslösung parat hat. Der weltweit größte Erdölkonzern, Exxon, hat angeblich große Pläne für eine E-Fuel-Produktion, hier geht es um künftige Vormachtstellung.

ALLES AUTO: Kritiker werden Ihnen eventuell vorwerfen, Sie würden sich als klassi­scher Motoren-Ingenieur einfach nur gegen die neuen Entwicklungen sträuben.

Indra: Als ordentlicher Ingenieur habe ich mich sehr früh mit dem Thema Elektroantrieb beschäftigt. Er hat sich einfach nicht als die praktischere, attraktivere ­Lösung erwiesen. Ich bin da nur auf einer Linie mit großen Konzernen: Bosch ist aus der Batterie-Forschung ausgestiegen, Mercedes aus dem Wasserstoff. Und echte Batterie-Experten sagen ganz klar: Es wird in den nächsten zehn Jahren und noch darüber hinaus nichts anderes als ­Lithium-Ionen-Akkus geben, es ändert sich auf diesem Gebiet bis auf weiteres ­also nichts.

Fotos: Robert May