Maserati Quattroporte 3,8 V8

3. Mai 2013
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Tests

FAHRZEUGDATEN

Marke:Maserati
Klasse:Limousine
Antrieb:Hinterrad
Treibstoff:Benzin
Leistung:530 PS
Testverbrauch:11,9 l/100km
Modelljahr:2013
Grundpreis:177.486 Euro

Böser Blick und noch böserer Motor, aber gute Manieren: Die neueste Auflage der italienischen XL-Luxuslimousine schlägt in 4,7 Sekunden bei 100 km/h an und hört erst jenseits der 300 auf zu beschleunigen

Die jetzt womöglich einsetzende Verliebtheit in den neuen XL-Maserati wird höchstwahrscheinlich in einer Fernbeziehung enden: Der Quattroporte darf vor allem die Straßen außer-europäischer Exportmärkte verschönern, in der Alten Welt wird kaum eine homöopathische Anzahl der edlen Stücke verbleiben. Dort, wo es doch noch auf die Länge ankommt, bestechende Technik sowieso vorausgesetzt wird und Kaufentscheidungen so fallen, wie früher die Sieger beim Autoquartett ausgemacht wurden, ist Maserati mit seinem fast 5,30 Meter langen 530 PS-Flaggschiff vorn dabei.
Hierzulande liegt über der Marke mit dem Dreizack nach wie vor der Generalverdacht der preislichen Jenseitigkeit – obwohl sich die Spitzenmodelle von Mercedes, Audi und BMW dort auch längst gut eingerichtet haben. Der Irrglaube, mit Stern, Niere oder vier Ringen sozial verträglicher unterwegs zu sein, beruht also bestenfalls auf einem groben Missverständnis in Sachen Tarifgestaltung, schlechtestenfalls auf einer gruppenzwänglichen Geschmacksorientierung.
Obwohl klar sein sollte: Wir bewegen uns hier in der 150.000 Euro-Plus-Etage, wo die Luft naturgemäß etwas dünn zu werden pflegt. Was unterscheidet den Quattroporte also von den Langversionen der S-Klassen, A8 und 7er oder vom Panamera, mit denen er die exklusive Liga der außergewöhnlichen Gentleman-Limos bildet?
In jedem Fall sein astreiner Stammbaum, den er allen anderen Mitbewerbern voraushat. 1963 sah Maserati erstmals den Bedarf einer Kombination von renntauglicher V8-Motorleistung und präsidialer Limousine und geigte gleich einmal mit 240 km/h Spitzentempo in einem Bereich auf, in dem damals auch reinrassige Sportwagen schon kurzatmig wurden. Knapp fünfzig Jahre später erneuert die Edelschmiede aus Modena mit der sechsten Quattroporte-Generation ihr Adelsgelübde in Sachen italienischer Automobilbaukunst und zeigt mit 307 km/h Höchstgeschwindigkeit der deutschen Retorten-Konkurrenz erst einmal den Auspuff. Die Einladung zum fröhlichen Wettrüsten wird dort aber zweifellos ankommen.
Mit seiner Front betreibt der neue Quattroporte ein wenig augenscheinliche Effekthascherei – allerdings gerade noch so stil-verträglich, dass die klassische Kundschaft damit ebenso leben kann, wie sie der unbedarfte Geldadel beklatschen wird. Die Seitenlinie verpackt die mächtigen Abmessungen jedenfalls betont elegant und schafft sogar so etwas wie eine athletische Silhouette. Am Heck herrscht wieder pures Upperclass-Understatement – wer ohnehin schon vorne fährt, muss ja die hinterher schleichenden Opfer nicht noch mehr provozieren.
Innen gibt sich der Luxusliner betont aufgeräumt, die wenigen Schalter und Knöpfe steuern gerade einmal Klimaanlage und die Sport-Einstellungen, alles andere ist in die Menüführung des Infotainment-Centers entwichen. Außer natürlich das wichtigste Accessoire, die klassische Analog-Uhr dort oben an ihrem Stammplatz mitten im Armaturenbrett.
Trotzdem ist ein wenig mehr Großserien-Geist eingezogen in den Quattroporte. Vorbei sind die Tage, als sogar unscheinbare Kunststoff-Kappen mit Leder ummantelt waren. Die Holzpanele gibt es wahlweise in zeitgemäßer Seidenmatt-Natur-Optik oder in Old-school-Hochglanzlack, auch Holz-in-Aspik genannt, immer noch sehr beliebt in den Entwicklungsländern des guten Geschmacks. Arroganz ist dennoch unangebracht, das gute alte Europa hat selbst Jahrzehnte der stilistischen Entgleisungen ins Umland des Kitsch ausgelebt, also lasst doch bitteschön den Amis, Russen, Arabern und Asiaten jetzt auch das bisserl Spaß am Gangnam-Style.
Technisch geht der Quattroporte allerdings keinerlei Kompromisse ein, die angepeilte Kundschaft schätzt hochgradiges europäisches Know-how, Traditionsbewusstsein und Leistungsdenken. Maserati reicht im Quattroporte einen neuen V8, geschrumpft auf 3,8 Liter Hubraum, dafür mit zwei Turboladern als Potenzhilfe – die setzten in der Quattroporte-Historie einzig die Motoren der Generation vier unter Druck. Die historische Bezeichnung Bi-Turbo trägt der Viertürer trotzdem nicht, ob wegen der Assoziation zur defektsüchtigen Vergangenheit oder weil wieder einmal vergessen wurde Namensrechte zu schützen, ist der freien Interpretation überlassen.

Betont schlichter Luxus und die klassische Analog-Uhr, von der Maserati seit Mitte der Achtziger schon wusste, dass sie sein muss

Der Startknopf weckt ein verheißungsvolles Brabbeln mit feinen sonoren Untertönen beim Gasgeben. Wer sich zuvor von der gelungenen optischen Kaschierung der Fahrzeug-Abmessungen hat täuschen lassen, wird schon in der ersten Kurve daran erinnert, dass jenseits der fünf Meter ein anderes Handling-Universum beginnt. Und wer nörgelt, dass der Quattroporte auf engen Bergstraßen unhandlich ist, macht sich nur der vorsätzlichen Themaverfehlung schuldig. Der korrekte Zugang zum Gerät eröffnet sich sensitiven Piloten von selbst, und im Überland-Betrieb zeigt die Edel-Limousine ohnehin, wofür sie geschaffen wurde – vor fast 3,20 Meter Radstand plus dem adaptiven Dämpfer-System Skyhook kapitulieren die gemeinsten Bodenwellen und Straßenunebenheiten, der Quattroporte zieht über Bundesstraße oder Autobahn wie der ICE auf Schiene – und bei Bedarf ebenso schnell: Die versprochenen 307 km/h hält er locker, Gruß von der deutschen Autobahn an die österreichische Exekutive.
Die Maschine hetzt beachtliche 710 Newtonmeter durch die achtgängige ZF-Automatik an die Hinterachse, im Sport-Modus deutlich radikalisiert und untermalt von vernehmlichem Kampfgesang aus den Auspuffrohren. Der niederfrequente Sportwagen-Sound, das Abreißen und Wiedereinsetzen des heißeren Tremolos bei Schaltvorgängen, der Antritt der Maschine, die in den nur 1900 Kilo Kampfgewicht kaum Gegenwehr findet – wer die Urtugenden des Quattroporte auszukosten versteht, den belohnt das Maserati-Flaggschiff mit einer feinsensorischen Partitur in Sachen Fahrerlebnis. Die Gewichtsverteilung von exakt 50:50 zwischen Vorder- und Hinterachse garantiert generell exakte Balance, und wenn es einmal jemand übertreibt, greifen die elektronischen Fahrhilfen unbestechlich, aber diskret ein – bei Bedarf auch mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt im Schlechtwetter-Modus.
Trotz der Fixierung im sportlichen Leistungsspektrum, verschwitzt aussteigen wird aus den Quattroporte kaum jemand – einfach, weil das Gesamtkunstwerk Maschine es nicht fordert. Rechtzeitig ankommen ist auch auch ohne Hetzerei quasi serienmäßig an Bord, gesünder schnell reisen geht praktisch nicht. Geschmackvoller wohl auch nicht. Gutes Stichwort: Es empfiehlt sich von selbst, der italienischen Stilvorgabe auch bei der Wahl der eigenen Panier zu folgen – in Jogginganzug oder Ruderleiberl machen sich im Quattroporte höchstens Autodiebe verdächtig.
Am Ende ist etwas wehmütiger Stolz angebracht: Auch wenn die italienische Upper-Premium-Limousine eher den Export beleben als uns selbst bewegen wird – Europa verschickt damit zumindest eine vortreffliche Visitenkarte in Sachen Ingenieurskunst und Automobil-Philosophie in die weite Welt.

Statt der Dreier-Bank können es hinten auch zwei Einzelsitze mit einer smarten Mittelkonsole sein. Und ja, die Fondlehnen lassen sich umlegen

[ i]TECHNIK:[ /i]
V8, 32V, Biturbo, 3798 ccm, 530 PS (390 kW) bei 6800/min, max. Drehmoment 710 Nm bei 2250-3500/min, Achtgang-Automatik, Hinterradantrieb, Scheibenbremsen v/h (bel.), L/B/H 5262/1948/ 1481 mm, Radstand 3171 mm, 5 (4) Sitze, Reifendimension 245/45 ZR 19 (v), 275/40 R 19 (h), Tankinhalt 80 l, Kofferraumvolumen 530 l, Wendekreis 11,8 m, Leergewicht 1900 kg, 0-100 km/h 4,7 sec, Spitze 307 km/h, Normverbrauch (Stadt/außerorts/Mix) 17,6/8,6/11,9 l ROZ 98, CO2 278 g/km

Basis-Preis: EUR 177.486,-

Mächtig im Auftritt, aber trotzdem kein Schwergewicht: 60 Prozent Aluminum-Anteil drücken das Kampfgewicht auf 1900 Kilo, das ist mit Abstand der Bestwert in dem Segment

Fotos: Robert Carrer