Strom und Flammen

16. März 2016
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Egal, wie man es dreht und wendet – kalt lässt die Elektromobilität niemanden. Man liebt sie oder verteufelt sie, dazwischen dürfte es nichts zu geben. Doch bei all der hochemotionalen Sichtweisen geht meist der Blick auf die Fakten gänzlich unter. Was ist nun Tatsache, Fan-Fantasie und was Marketing?

Unsere Geschichte über den Besitzer eines Tesla Model S, der sein Auto nach Singapur importieren wollte und hohe Strafzahlungen aufgebrummt bekam, weil es laut Ministerium den CO2-Wert eines Spritschluckers erreiche, sorgte für heftige Diskussionen. Kann man denn überhaupt sagen, wie viel CO2 ein Elektroauto durch die Produktion jenes Stromes verursacht, den es verbraucht? Zumal der Ökostrom-Anteil ja immer höher wird, oder etwa nicht?

„Es ist das erste Mal, dass ein Land, eine Regierung es kapiert hat“, kommentiert Kurt Lindner* die Vorgehensweise der Behörden in Singapur, das Model S so einzustufen, als emittiere es 222 Gramm Co2 pro Kilometer. „Seit Jahren versuche ich es allen möglichen Leuten zu erklären: E-Mobilität kommt für die meisten Länder viel zu früh, wenn man sie wegen der CO2-Reduktion will.“

Schließlich bezieht Singapur seinen Strom fast zur Gänze aus Gas-Kraftwerken, insofern ist es nur logisch, diese Produktionsart als Berechnungsgrundlage zu verwenden. Und in Deutschland? Da wird vor allem mittels Braunkohle der Ladestrom erzeugt. Doch was ist mit den 30 Prozent, die bereits jetzt aus erneuerbaren Energien (Luft-, Wind- und Wasserkraft) gewonnen werden? „Tja, das ist leider auch so eine Irreführung die da abläuft,“ so Lindner weiter, „Der Öko-Strom ist nämlich vollständig im Netz und betreibt zuerst Fernseher, Kühlschränke und Waschmaschinen, bevor auch nur ein Elektroauto geladen wird.“

Sprich: Steigt der Bedarf an Strom, weil Elektroautos geladen werden wollen, muss ja von irgendwo die Extraportion Saft herkommen. Für Lindner, der selbst ein Elektroauto fährt, liegt aber genau hier die Problematik: „Sobald man den Ladestecker andockt, können Ökostrom-Kraftwerke kein einziges Milliwatt mehr zulegen. Atom- und Fossil-Kraftwerke aber sehr wohl. Und wenn atomare Stromgewinnung immer mehr abgeschaltet wird und Braunkohle sowieso am billigsten ist, dann kommt der Ladestrom eben von Braunkohle. Da nützt einem auch ein Solardach nichts.“

Der oft zitierte Strommix, laut Industrie-Insider Lindner nichts mehr als eine Illusion: „Vergessen Sie diese Idee. Auch Elon Musk betreibt nur ein Ablenkungsmanöver wenn er auf steigenden Anteil erneuerbarer Energien in Singapur hinweist, der derzeit praktisch bei Null liegt. Und in Kalifornien (Hauptsitz von Tesla) kommt der Zusatzstrom fürs Laden übrigens auch von Gas oder Kohle. Also schlechter noch als in Singapur, jedenfalls nicht besser.“

Sprich: Auch wenn der Anteil von Wind- und Wasserkraftwerken, von Photovoltaik- und Gezeitenanlagen weiter steigt, braucht man kein Elektroauto, um ihn ruckzuck verbraucht zu haben. Für Lindner ist klar, dass Elektromobilität einfach Zusatzstrom verlangt, und der muss eben irgendwie erzeugt werden.

Geschieht dies mit Braunkohle, bewirkt ein kleiner Elektroflitzer laut Lindner mehr CO2 als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, der aber nebenbei aber eine fünfmal höhere Reichweite hat. Wie diese Bilanz aussehen würde, hätte ein E-Auto einen Akku verbaut, mit dem man eine ähnliche Distanz fahren könnte wie Fahrzeuge mit Benzin oder Diesel, kann sich jeder jetzt ganz leicht ausrechnen. „Und dabei braucht man auch nicht auf die CO2-Produktion verweisen, die während der Förderung, Raffinierung Transport des Öls (anteilsmäßig rund 20 – 25 Prozent) passiert. Die Lade- und Entladeverluste (8 Prozent Transport-, 10-20 Prozent Lade- und Entladeverluste), die gerne beim Elektroauto ignoriert werden, kompensieren das.“

Oder anders gesagt: Elektromobilität hat ihre Berechtigung, aber derzeit nur unter anderen Gesichtspunkten. So lange Strom noch so gewonnen wird, wie er gewonnen wird, kann sie ihre Vorzüge einfach nicht ausspielen. Lindner: „Dem CO2 ist es egal, wo es entsteht, und das war ja bisher die Hauptbegründung. In Peking etwa kann es dennoch sinnvoll sein, elektrisch zu fahren und den Strom zum Beispiel in der Wüste Gobi zu erzeugen, weil die lokale Emissionsfreiheit in Ballungszentren ganz andere Vorzüge bringt.“

*Name von der Redaktion geändert.