Wenn das Licht ausgeht

11. August 2023
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Aktuelles

Stell dir vor, es geht das Licht aus, sag, was würdest du dann tun?“ lautet eine Zeile aus einem Heurigen-Lied von 1952, gesungen von Maria Andergast und Paul Hörbiger. Da­mals ging es zwar nicht um E-Mobilität und die Gefahr eines Blackouts, doch für den Fall der Fälle sollten die Verantwortungsträger heute einen Notfallplan in der Schublade haben, um möglichst schnell reagieren zu können.

Die Regierung in der Schweiz hat so einen Entwurf, um einen drohenden Zusammen­bruch des Stromnetzes abzufangen. In ­einem mehrstufigen Eskalationsplan soll vor dro­henden Netz­abschaltungen oder -ausfällen hartes Stromsparen durchgesetzt werden, das bis zu einem Lade-Verbot von Elektroautos, HD-Streaming und (Online-)Gaming führen kann.

Anteil an Elektroautos

Doch wie hoch ist der Anteil der rein elektrisch fahrenden Fahrzeuge (BEV) eigent­lich? In der Schweiz liegt er mit knapp 18 Prozent aller Neuwagen bereits deutlich über dem EU-Durchschnitt von 10 Prozent. In Österreich sind 15 Prozent der im Vorjahr neu zugelassenen Pkw reine Stromer – gemessen am Gesamt-Bestand von 5,15 Millio­nen Stück liegt der BEV-Anteil derzeit bei 2,1 Prozent (in absoluten Zahlen sind das 107.000 Fahrzeuge).

Hierzulande wurden in den letzten fünf Jahren durchschnittlich etwa 300.000 Pkw pro Jahr neu zugelassen – solche Neuwagen dürfen eben ab 2035 nur mehr einen CO2-emissionsfreien Antrieb haben. Wobei dieses Vorhaben 2026 seitens der EU noch evaluiert werden soll.

In einer kürzlich am Institut für Fahrzeugantriebe der TU Wien im Auftrag der Wirt­schafts­kammer durchgeführten Studie über die Entwicklung der Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen (bis 3,5 t) wird in Europa ein Anstieg bei den Stück­zahlen erwartet, wobei der Anteil an neu gebauten reinen Verbrennern bis 2035 praktisch nicht mehr vorhanden sein soll. 

Hybrid-Modelle (HEV) und Plug-In Hybride (PHEV) werden in den kommenden Jahren zulegen, allerdings ab 2030 bis 2035 wieder deutlich abnehmen. Somit wird der Anteil der Fahrzeuge mit VKM (dazu zählen auch HEV und PHEV) bis 2035 auf vier Millionen Stück sinken, was einem Marktanteil von nur mehr 20 Prozent entspricht. Es werden also künftig BEV-Fahrzeuge die Neuzulas­sungen des europäischen Marktes domi­nieren. Brennstoffzellen-Autos (FCEV) sollen dabei in Europa keine wichtige Rolle spielen. 

Am Gesamtbestand nimmt der Anteil von Fahrzeugen mit alternativen Antriebssystemen spürbar zu. Dennoch bleiben bis 2035 VKM-Fahrzeuge inklusive Hybrid-Modelle mit 70 Prozent die deutlich dominierende Antriebsart – ganz einfach deshalb, weil es aufgrund der Haltedauer von Fahrzeugen eine beträchtliche Zeit dauert, bis sich die Neu-zulas­sungen auch in der Bestandsflotte abbilden.

Energiebedarf

Bei der Betrachtung des zukünftigen Energiebedarfes in Österreich für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sieht man, dass auch 2035 noch rund 80 Prozent über Diesel- und Benzinkraftstoffe bereitgestellt werden muss. In den nächsten Jahren bis 2035 wird es zu ­einer kontinuierlichen Abnahme des Ener­giebe­darfs kommen wird. 

Dieser Rückgang wird einerseits durch effizientere Verbren­ner-Fahr­zeu­ge begründet, aber auch dadurch, dass BEV- im ­Vergleich zu VKM-Autos durch­schnitt­­lich etwa die Hälfte an Energie be­nötigen. Dieser re­duzierte Verbrauch der Elektro-Autos in Kombination mit den deutlich zunehmenden Neuzulassungen alter­nativer An­triebs­arten ist der maßgebliche Treiber der Energiereduktion.

Der Strombedarf wird insgesamt deutlich steigen. Doch können wir diesen klimaneutral bereitstellen? Im Zuge des beschlossenen „Erneuer­baren Aus­bau-gesetzes“ (EAG) soll bis 2030 der gesamte Strombedarf in Österreich klimaneutral bespielt werden. Dazu sollen 10 TWh Windenergie (mehr als eine Verdoppelung der der­zeitig erzeugten Menge) und 11 TWh Photovoltaik (das Vierfache der aktuellen Pro­duktion) installiert werden. 

Für die prognostizierte Elektromobilität im Jahr 2030 müssen zusätzlich 2,3 TWh Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden, was aber nur rund drei Prozent des gesamten heimischen Stromverbrauchs entspricht. Die planmäßige Umsetzung dieser Energiewende wird dennoch eine enorme Herausforderung. 

Investitionen in die Ladeinfrastruktur

Wie hoch sind nun die Investitionen für Ladeinfrastruktur und Stromnetz? Im Rahmen seiner Dissertation hat Thomas Bruckmüller am Wiener Institut für Fahrzeugantriebe die Auswirkungen der Elektromobilität auf das lokale Stromverteilnetz wie auch auf die benötigte Lade-infrastruktur ermittelt. 

Der Spitzenleistungsbedarf durch die Ladevorgänge beträgt 742 MW, das entspricht der Leistung des größten Kraftwerks in Österreich (Wien Simmering) und 7,6 Prozent der derzeitigen österreichischen Spitzenlast. In den untersuchten Modellen für ländliche sowie klein- und großstädtische Verteilnetze zeigen sich bis 2030 keine Pro­bleme hin­sichtlich der Einhaltung von Spannungsgrenzen sowie der Trafo- und Leitungs-Auslas­tung. 

Die erforderliche Ladein­frastruktur ist ein entscheidenderer Knackpunkt. Im Jahr 2030 werden laut der TU-Studie für dann 610.000 Elektrofahrzeuge in ganz Österreich ins­gesamt rund 770.000 Ladestellen benötigt, davon 136.000 in Wien. Da in der Hauptstadt nur eine geringe Anzahl an Haushalten einen privaten Auto­stell­platz hat, sind davon etwa 90.000 (!) Ladestellen am Straßenrand er­forderlich (derzeitiger Bestand: 2600). Die Errich­tungskosten werden österreichweit bei 4,6 Milliarden Euro liegen, was einem durch­schnittlichen Wert von 7500 Euro pro Elektro-Fahrzeug entspricht.

Fazit: Durch den beschlossenen Ausbau der erneuerbaren Energien kann es bis 2030 gelingen, auch die Energie für die Elektromobilität klimaneutral bereitzustellen. Die Belastung des Stromnetzes durch das Laden der BEV sollte bis dahin auch problemlos möglich sein. 

Enormen Aufholbedarf wird es jedoch bei der Errichtung der Ladeinfra­struktur – vor allem in größeren Städten mit vielen öffentlichen Parkplätzen – geben, um die ge­wünschte Kundenakzeptanz zu erreichen. Das Licht wird bis 2030 also eher nicht ausgehen.                      

Text: Josef Graf

Foto: Netz OÖ