Dienstfahrt ins gestern: Audi RS4 Avant

24. November 2016
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unbenannt-1Im Sommer 2012 feierten wir 20 Jahre ALLES AUTO. Jeder Redakteur kürte sein Lieblingsauto des Jahres. Georg Fischer suchte sich den RS4 Avant aus. Anlässlich seines Ablebens wollen wir diese emotionale Geschichte noch einmal ins Rampenlicht rücken. 

Vor 20 Jahren habe ich den Rallyesport aufgegeben, nur selten noch steigt Nostalgie hoch. Die Begegnung mit dem neuen Audi RS 4 war so ein Moment.

Ein Auto ist Mittel zum Zweck. So dachte ich schon als Rallyefahrer. Verliebe dich nie in dein Renngerät! Deine Seele würde bluten, wenn du es volles Rohr über steinige Pfade treten müsstest. Und das musst du, sonst fährst du keine Bestzeiten. Wenn ich im Motorsport Mitleid kannte, dann nur mit meinen Mechanikern, nie mit meinem Auto. Ich versuchte, seine Grenzen zu erkennen und sie dann gnadenlos auszunutzen. Mit keinem Lebewesen könnte ich so umgehen.

Heute, als Journalist, habe ich erst recht emotionslos zu urteilen. Nicht Name oder Image eines Modells zählt, einzig was es kann und was es kostet. Nur bei VW und Audi tue ich mir da schwer. Und bin vielleicht gerade deshalb besonders kritisch, wenn ich deren Produkte teste. Denn zu Beginn der 70er-Jahre begleiteten Salzburger Werkskäfer meine junge Karriere. Und an deren Ende drosch ich sechs Jahre lang Audi Quattros um die Welt, wiederum unter den Fittichen von Porsche Austria. Das hinterlässt Spuren.

Audi präsentierte den neuen RS 4 auf dem Red Bull-Ring in der Steiermark. Für die dritte Generation ihres Renners verpflanzten die Ingolstädter kurzerhand Antrieb und Fahrwerk des RS 5 in einen A4 Avant. Der frei saugende Achtzylinder hat 4,2 Liter Hubraum und 450 PS, dazu kommen das siebenstufige Doppelkupplungs-Getriebe und ein ausgeklügelter Allradantrieb. Der Kombi wiegt 70 Kilo mehr als das Coupé, was den Sprint auf 100 km/h um ein Zehntel verzögert. Aber 4,7 statt 4,6 Sekunden machen das Kraut nicht mager.

 

Das Gros der anwesenden Journalisten fiebert ein paar schnellen Runden auf der Rennstrecke entgegen. Mich zieht es hinaus ins Umland. Robert, unser Fotograf, kennt dort ein paar Rallye-Pfade – ich selbst bin aus dem Metier ja lange draußen. Zunächst bleiben wir auf Asphalt. Nicht weit vom Ring schlängelt sich eine selektive Prüfung durch den Wald, gespickt mit ein paar hinterhältigen Kuppen. Ich stelle das Fahrwerk auf hart und die Motor/Getriebesteuerung auf Sport. Mit seinen breiten Walzen giert der RS 4 in jede Kurve. Auch nur annähernd am Limit zu fahren, ist auf der nicht gesperrten Strecke unmöglich. Das DSG – pardon, bei Audi S-tronic – schaltet im Sportmodus so perfekt, dass ich die Lenkradwippen gar nicht brauche. Meist dreht der V8 jenseits von 5000 Touren. Erst bei 8500 flutscht die Automatik den nächst höheren Gang hinein –flink wie ein sequenzielles Getriebe, aber nicht so hart.

Foto: Robert May - Veršffentlichung mit Credit: Robert May, Veršffentlichung ausschlie§lich mit schriftlicher Genehmigung! Honorar nach vorheriger Vereinbarung!Obwohl beinahe 1800 Kilo schwer, schiebt der Kombi erbarmungslos an. Dazu röhrt, ballert und kreischt der Achtzylinder, wie es nur ein frei saugender Murl fertigbringt. Die optionalen Auspuff-Klappen stehen im Sportmodus stets offen – zum Glück wohnt an diesem Straßenstück weit und breit niemand. Unschlagbar waren die Rallye-Quattros stets beim Springen. Schnurgerade flogen sie durch die Luft, um sicher zu landen wie Andi Goldberger in seinen besten Tagen. Da sticht mich der Hafer, und ich mute auch dem RS 4 ein paar Hopser zu. Der besinnt sich scheinbar der Qualitäten seiner Ahnen und meistert die Jumps bravourös. Mit Rücksicht auf den Unterboden des teuren Stücks halte ich mich dennoch im Zaum.

Wir wechseln auf loses Geläuf. 450 PS auf rolligem Schotter klingen nach Irrsinn. Doch wie die vier Räder sie auch hier in Vortrieb umsetzen, verblüfft sogar mich. Das Fahrwerk habe ich zuvor mit einem Knopfdruck weicher gestellt – meine Mechaniker brauchten dafür einst grobes Werkzeug und eine halbe Stunde. Bereits nach ein paar Metern fasse ich Vertrauen. Der RS 4 untersteuert wie jeder Quattro, lässt sich mit einem Lastwechsel aber schön in die Kurve drehen. Während nun der linke Fuß die Bremse loslässt, hält zeitgleich ein Tritt aufs Gas das Heck draußen – und schiebt den schweren Brocken brutal vorwärts.

 

Walter Röhrl hat diese Technik einst perfektioniert. Einige Mühe habe ich, stets genügend Drehzahl zu halten. Ein bulliger Turbo wäre auf Schotter leichter zu fahren. Bald schon hat Robert alle Fotos im Kasten, und wir bringen den RS 4 – leicht verstaubt, aber unversehrt – wieder zum Ring zurück. Dort drehen die Kollegen brav ihre Runden. Mir hat mein kleiner Ausflug mehr gegeben. Ist es nicht herrlich, hin und wieder in Erinnerungen schwelgen zu dürfen? Rein dienstlich, versteht sich.