Gegründet wurde Euro NCAP („European New Car Assessment Programme“) 1997 von mehreren europäischen Verkehrsministerien, Automobilklubs und der Dachorganisation der Konsumentenschutz-Verbände ICRT. Heute zählen unter anderem die Verkehrsministerien von Deutschland, Frankreich und Großbritannien sowie die FIA (Automobil- und Motorsport-Dachverband) und der ADAC (deutscher Autofahrerklub) dazu. Ziel ist es, die Sicherheit der Pkw zu erhöhen, und zwar über das gesetzliche Mindestmaß der EU hinaus.
Die Tests des Euro NCAP sind rechtlich nicht bindend, üben aufgrund ihrer Bekanntheit aber Druck auf die Hersteller aus, ihre Fahrzeuge entsprechend aufzurüsten. Immer wieder hört man, Autos wären in Sachen Sicherheit eigens so gebaut, damit sie bei den NCAP-Tests glänzen. Mag durchaus sein, die dem zugrunde liegende Negativbehauptung – nämlich, dass ein diesbezüglich hervorragendes Modell bei anderen Tests versagen würde – ist aber unsinnig, weil eine grundsätzlich sichere Crashstruktur bei verschiedensten Tests gut abschneiden würde.
Die Gesamtwertung besteht aus Sternen. Ein Stern bedeutet geringen Unfallschutz, die Bestnote von fünf Sternen ist hingegen nur bei guten Noten für den Gesamt-Unfallschutz plus einer umfassenden Ausstattung an Unfallvermeidungs-Systemen möglich. Aufgrund der Weiterentwicklung der Testverfahren ist ein Vergleich der Sterne-Bewertungen über die Jahre nicht möglich, sinnvoll ist ein solcher nur bei innerhalb des gleichen Jahres getesteten Modellen.
Auch das Brennstoffzellen-Auto Hyundai Nexo wurde bereits gecrasht. Sämtliche Wasserstoff-Abschalteinrichtungen funktionierten, der Tank hielt bravourös.
Vier Hauptkriterien werden bewertet: Erwachsenen-Schutz, Kinder-Sicherheit, Fußgänger- und Radfahrer-Schutz sowie Sicherheits-Unterstützung (Assistenzsysteme). Die ersten zwei Punkte werden in Form von vier Crashtests ermittelt – Frontalaufprall mit 40 Prozent Überdeckung und 64 km/h auf eine verformbare Barriere, Frontalaufprall mit 100 Prozent Überdeckung und 50 km/h auf eine starre Barriere, Seitenaufprall gegen eine mit 50 km/h fahrende verformbare Barriere und Pfahl-Seitenaufprall mit 32 km/h gegen ein starres, z. B. einen Baum simulierendes Hindernis.
Für den dritten Punkt wird ein Fußgänger-Dummy angefahren, für den vierten Punkt werden die Assistenzsysteme geprüft. Weil fast nirgends sämtliche Helferlein serienmäßig sind, gibt es neuerdings zwei Bewertungen, eine für die Basis- und eine für die Vollausstattung.
Warum in letzter Zeit immer mehr Gewicht auf Assistenzsysteme gelegt wird, beantwortet Max Lang, als ÖAMTC-Technikchef auf einem FIA-Ticket und einziger Österreicher unter den 24 NCAP-Direktoren, folgendermaßen:
„Ein Unfall, der gar nicht passiert, ist besser, als Unfallfolgen durch hohe Crashsicherheit zu mildern.“
Allerdings gibt es immer mehr Autofahrer, die sich über allzu eifrige Spurhalte-Warner ärgern. Einmal dem Mittelstreifen zu nahe kommen, schon piepst es sekundenlang, auch wenn man den Mini-Fauxpas zwischendurch längst korrigiert hat. Lang: „Uns ist klar, dass Leute Warnsysteme, die zu sehr nerven, abschalten oder gar nicht erst bestellen. Für übereifrige Systeme geben wir zwar keine Punkteabzüge, informieren die Hersteller aber, dass sie unserer Meinung nach übers Ziel hinausgeschossen sind.“
Das Budget von Euro NCAP wird von den zwölf Mitgliedern bestritten – jedes muss jährlich den Test von mindestens einem neuen Fahrzeug finanzieren – oder auch von Herstellern, die eigene Modelle unbedingt gecrasht haben wollen. Laut Max Lang gebe es immer mehr Automobil-Vorstände, die vor der Entwicklung eines neuen Modells festhielten, dass es fünf Sterne erreichen müsse. Ist es dann am Markt, will man das publikumswirksam unter Beweis stellen. Klarerweise dürfen die Hersteller dann nicht mit eigens präparierten Fahrzeugen anrücken. Die Autos werden anonym am Markt erworben, um deren Serienmäßigkeit sicherzustellen.
Aktive Unfallvermeidungs-Systeme fließen immer stärker in die Euro NCAP-Bewertung ein. Das erste ge-
testete war ESP, das zweite der Notbrems-Assistent (im Bild). Heute werden sämtliche Assistenten geprüft.
Lang meint, dass Euro NCAP einen Beitrag zur Verbreitung der Assistenzsysteme leiste, weil sie eben in die Bewertung mit aufgenommen wurden. Und mit zunehmenden Stückzahlen würden die Systeme immer billiger, weshalb sie nun auch schon in der Kleinwagenklasse angekommen sind.
Weiterentwickelt wird das Testverfahren von Euro NCAP laufend. Ab 2020 wird beispielsweise der Querverkehrs-Assistent mit automatischer Bremsung (warnt nicht nur beim Rückwärts-Ausparken, sondern bremst im Notfall gleich selbst) ins Testprocedere integriert werden, ebenso sind Seitenaufprall-Tests mit 60 statt 50 km/h in Vorbereitung.
Pro Jahr werden bis zu 70 Newcomer für den guten Zweck zerstört. Als Top-Performer 2018 erwies sich bis dato die neue Mercedes A-Klasse. Ein tolles Ergebnis, weil Kompaktautos aufgrund ihrer kleineren Knautschzonen gegenüber großen Fahrzeugen naturgemäß im Nachteil sind.
Platz zwei belegt der Lexus ES vor dem Volvo XC40. Warum eigentlich der wenig gekaufte Lexus? Max Lang: „Weil jedes unserer Mitglieder entscheidet, welche Autos es testet.“ Und Lexus ist etwa in Großbritannien eine beliebte Marke. Umgekehrt wird man manche Autos im Euro NCAP-Test nicht erleben, obwohl sie interessant wären. Zum Beispiel Ladas neues Billigmodell Vesta. Aufgrund der innerhalb West- und Mitteleuropas geringen Stückzahlen schlägt kein NCAP-Mitglied den Vesta vor, und der Hersteller selbst hat offenbar kein gesteigertes Interesse am Crashtest. Was indirekt auch schon wieder eine Bewertung ist.