Glavitzas Gschichtln – Autostunts für Steve McQueen

27. Mai 2020
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Feature

Er wünsche das „real thing“ und nicht den üblichen Hollywood-Kitsch, zwei Rennautos Rad an Rad, und nur, weil neben der Piste ein Mädl mit strammer Oberweite steht, würde eines der Autos plötzlich schneller werden und überholen – so sprach Steve McQueen, Hauptdarstel­ler und im Prinzip Chef des Le Mans-Films, mit mir auf dem Nebensitz in seinem Neun­elfer nach der scharfen Rechten um den Golfplatz bei der Mulsanne-Geraden. Er drehte sich zu mir, die RayBan hoch in der Stirn, und fragte: „Kennst du ‚Kaltblütig‘ von Truman Capote? So mag ich’s. Pure Realität – keinen Müll.“

Der erste Crash sollte etwa eine Meile nach der Mulsanne passieren. Mein Partner Peter Huber sollte sich im Lola-Chevy nach der Kuppe im fünften Gang drehen. Der Grund: Wolkenbruch. Und ich sollte im Porsche 911 angeflogen kommen. Jeder kann sich vorstellen, was passiert, wenn sich ein Rennwagen formatfüllend vor einem breitmacht. Mit dem Regisseur Jack Reddish (Second Unit – Special Effects) und dem Kamerateam wurde vorher vereinbart, wo und wie ich in die Leitplanken einschlagen und dabei meinem Partner tunlichst verschonen sollte. Peter und ich mach­ten uns aus, wo er den Lola nach dem Dreher platzieren sollte.

Und Action! Peter fuhr vor mir los, und ich folgte ein paar Sekunden später. Wie abgemacht stoppte er seinen Renner nach einem Dreher auf der linken Seite. Ich stellte den Porsche vor der Kuppe quer, schlitterte knapp an ihm vorbei und dann in der vereinbarten Reihenfolge in die unter den Leitplanken versteckten Kameras. Meine Freundin Catherine stand neben Steve, der von dem Stunt nicht sonderlich amused war und nachher maulte, dass das Ganze gestellt ausgesehen habe. Also alles noch­mals, mit einem entscheidenden Unterschied: Peter und ich durften uns nicht mehr bespre­chen. Er bekam von Steve die strenge Order, nach dem Dreher weiter rechts zu stehen. Davon hatte ich aber keine Ahnung – Steve hatte pein­lich darauf geachtet, dass wir uns nicht absprechen konnten, indem er uns gute zweihundert Meter voneinander getrennt hatte.

Da kam schon das Zeichen „Action please, Eric go!“ Der Drehzahlmesser knapp bei 8000 Touren im Fünfer, als die Kuppe mein Auto leichtmachte – und ich mich auf die korrekte Linie konzentrierte. Da stand plötzlich der Lola for­matfüllend in all seiner Herrlichkeit vor mir. Ich erinnere mich noch heute an Peters „Eyes wide open“, als er mich im Tiefflug daherkommen sah. Irgendwie vermied ich einen Knaller, küsste g’schamig den Lola – wahre Freundschaft soll bekanntlich nicht wanken – und knallte dann ordentlich rechts und links in die Planken. Steve McQueen sprang vor Freude in die Höhe, während Reddish und die Kameraleute enttäuscht waren. Die Szene wirkte jetzt zwar aus Rennfahrer-Sicht echt, aus Hollywood-Sicht jedoch weniger spektakulär. Von de­nen wagte aber niemand Steve zu widersprechen, nicht einmal zu fra­gen, sonst wären sie noch am selben Tag im Flieger Richtung Heimat gesessen – so streng waren dort die Sitten. Doch ich bekam immerhin eine nette Prämie.

Foto: Archiv Glavitza