Nachruf Niki Lauda

21. Mai 2019
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Niki Laudas Leben war von Sternstunden geprägt und von schweren Katastrophen. Dreimal Formel 1-Weltmeister, und dann stapft dieser Mann 1991 über das Absturzfeld seiner Boeing in Thailand, zwischen Trümmern und Leichen – gibt es etwas Schlim­meres? Von seinem Feuerunfall am Nürburgring am 1. August 1976 war er zeitlebens gezeichnet. Doch die Welt verneigte sich vor ihm, wo immer er auftauchte.

Fünf Wochen nachdem er die Mannheimer Klinik nach dem Horror-Inferno verlassen hatte, stieg Lauda auf der Ferrari-Teststrecke von Fiorano erstmals wieder ins Cockpit. Die Renn-Politiker aus Maranello hatten ihren Weltmeister für dieses Jahr bereits abge­schrieben. Niki hatte Angst, seine Brandwunden waren kaum verheilt. Er hatte Angst vorm Feuer. Bei einer Pressekonferenz nahm Lauda den Me­dien mit einer mutigen Ansage den Wind aus den Segeln: „Ich trage meinen Oberschenkel im Gesicht.“ Am 12. September 1976 wurde er in Monza Vierter. Die Vollgas-Branche staunte.

Ich war dabei, als Niki in Fuji den Sturzhelm abnahm, weil ihm das Leben wertvoller war als der WM-Titel. „Sagen wir, es war ein Motorschaden“, riet ihm der Ferrari-Rennleiter. „Nein“, erwiderte Lauda, „bleiben wir bei der Wahrheit!“ So war er: immer der Wahrheit verpflichtet, immer geradlinig. Als die Lauda-Air über Thailand abstürzte, unterrichtete er die Öffentlichkeit stets mit voller Transparenz, nichts wurde verschleiert. Er machte solange Druck, bis sich herausstellte, dass sich die Schubumkehr im Flug aktiviert hatte. Niki war geprägt von einem glasklaren Schwarzweiß-Denken. Die kürzeste Verbindung zweier Punkte war immer eine Gerade. Er hasste Lügner und Politiker, die das Volk verdummten.

Ich flog mit Niki in seinem Privatjet von Salzburg nach Long Beach zum Grand Prix. Beim Anflug auf Narsarsuag tobte über Grönland ein Orkan. Niki gab das Steuer an seinen Piloten Helmut Kaar mit den Worten ab: „Du landest, Du hast mehr Erfahrung.“ So war er: immer am Boden der Tatsachen. Jahre späte hörte ich vom Boeing-Chef­piloten: „Lauda war der beste Pilot, den wir je in unserem Ausbildungs-Center hatten.“

Ein seltsames Erlebnis mit Niki Lauda wird mir ewig in Erinnerung bleiben. In einem Fiat-Coupé chauffierte er mich um den Nürburgring. Ausgerechnet bei Kilometer 10,5, genau an je­ner Stelle, an der er drei Tage später seinen Feuerunfall haben sollte, bliebt er fast ste­hen. Ich habe seine Worte auf einem Recorder mitgeschnitten, und sie wurden zu einem zeitlosen Dokument für das Drama von der Nordschleife. Nikis Stimmer klingt nicht cool, eher rebellierend, als würde er sich gegen ein Schicksal auflehnen, dem er nicht entrin­nen kann: „Du fährst hier im vierten Gang hinunter, Vollgas, ich würde sagen 240 bis 250 km/h. Wenn hier ein Reifen platzt oder was bricht, da fliegst du dort tief hinunter. Oder hier hinauf oder da rein, da ist nix, nur Felsen, Böschung. Jetzt haben’s ein paar Fangzäune aufgestellt, aber das reicht doch nicht.“ Genau hier flog Niki im Rennen am 1. August 1976 in die Fangzäune.

Sicher waren es die Spätfolgen dieses Feuerunfalls am Nürburgring, die dazu führten, dass Niki 1997 von seinem Bruder Florian eine Niere transplantiert bekommen musste und 2005 von seiner Gattin Birgit eine zweite. Im Sommer 2018 musste er sich im Wiener AKH einer Lungentransplantation unterziehen, von der er sich nie mehr erholen sollte. Als Aufsichtsratsvorsitzender des Mercedes Formel 1-Rennstalls war er Mitbe­grün­der der einmaligen Siegesserie. Um Niki Lauda trauern seine Kinder Mathias, Chris­toph, Lukas, Max und Mia sowie seine Gattin Birgit. Er war ein Gigant und er wird uns immer in Erinnerung bleiben.