So brutal gibt sich der aktuelle ST freilich nicht, obwohl er von der Basis her denselben 2,3 Liter-Motor nutzt. 280 PS und vor allem 420 Nm sind jedenfalls mehr als genug Ausbeute, zumal sie auf die Vorderräder losgelassen werden, wo sich ein elektronisches Sperrdifferenzial um die Portionierung kümmert – sehr erfolgreich, zumindest auf trockenem Untergrund.
Gegenüber den braven Focus-Brüdern wurden beim ST die Schaltwege verkürzt, dazu ist die ohnehin schon feine Lenkung noch direkter ausgelegt – nur mehr zwei Umdrehungen sind es von Anschlag zu Anschlag. Ein Anschlag auf die Bandscheiben ist freilich das verbaute Sportfahrwerk, zumindest in den dynamischen Fahr-Modi, bei denen die elektronischen Dämpfer auf gnadenlos gestellt sind.
Drei Fahrprogramme stehen zur Wahl – dazu ein viertes, nämlich der Race-Modus, wenn man zum Performance-Paket gegriffen hat. Dann gibt’s auch automatisches Zwischengas und eine ganz easy per Knopfdruck aktivierbare „Launch Control“.
Das Handling des ST ist jedenfalls ein Traum, so agil lenkt kaum ein Kompakter ein. Dazu klebt der Focus in schnellen Kurven auf der Straße, dass es eine Fahrfreude ist – und wer dann vom Gas geht, erntet spaßige Heckschwenks. Die Driftwinkel sind dabei erstaunlich hoch, vor allem in den beiden dynamischen Fahr-Programmen. Bei denen ist übrigens auch die sogenannte „Anti Lag“-Funktion aktiv – sie verhindert den Ladedruck-Abfall beim Hochschalten, indem sie die Drosselklappen noch etwas offen lässt.
Und das Sound-Erlebnis? Wie zu erwarten sonor und in den sportlichen Modi noch lauter sowie mit Nachballern aus den beiden Auspuff-Endrohren. Das klingt vor allem außen gut, innen kann das auf der Autobahn freilich etwas nervig werden, auch weil die Windgeräusche so niedrig sind.
Wem das alles zu räudig ist, der hat zwei Alternativen: entweder den Griff zum Doppelkupplungs-Getriebe oder zur rund 3000 Euro günstigeren Diesel-Version mit 90 PS weniger Leistung und drei Liter weniger Verbrauch. Wer so denkt, wird wohl auch die 1500 Euro teurere Kombi-Version ins Auge fassen – und damit den eigentlichen Sinn des ST endgültig aus den Augen verlieren.
Fahrwerk & Traktion – Ziemlich straffes Fahrwerk schon im Normal-Modus, auf schlechten Straßen zudem poltrige Achsen. Sehr hoher Kurven-Speed möglich, dann freilich lastwechselanfällig (ESP greift erst spät ein, vor allem in den Sport-Modi). Dank Sperrdifferenzial selten Traktions-Probleme auf trockenem Untergrund. Superbe Lenkung, kaum Zerren am Volant. Tadellose Bremsanlage.
Cockpit & Bedienung – Tiefe, aber gute Sitzposition auf nicht zu engem Recaro-Gestühl, optimal wäre noch eine neigungsverstellbare Schenkelauflage. Das per Touchscreen zu bedienende Multimediasystem ist schnell durchschaut, für die Lautstärke gibt es einen klassischen Drehregler. Alu-Schaltknauf an kühlen Tagen anfangs ziemlich kalt. Der optionale Türkanten-Schutz ist praktisch, das Außengeräusch beim Schließen der Pforten dann freilich etwas unschön. Optionales Headup-Display „billig“ über Zusatz-Scheibe. Fein: ausreichend Ablagen, integrierter Tankverschluss, gute Rückfahrkamera.
Innen- & Kofferraum – Genug Passagier-Platz, vor allem die Kniefreiheit hinten gefällt. Das tiefe und breite Gepäckabteil ist durchaus groß – nach Umlegen der 2:1-Fondlehne entsteht allerdings eine Stufe, weil kein doppelter Boden an Bord ist. Praktische Wendematte im Kofferraum für 67 Euro Aufpreis.
Dran & Drin – Sehr solide Serien-Mitgift inklusive Navi und DAB-Tuner, in der 2500 Euro billigeren Basis-Variante, also ohne Styling-Zusatz, unter anderem ohne E-Sitzverstellung, Rückfahrkamera, Sitzheizung, LED-Licht und mit 18- statt 19-Zöllern. Einige wirklich fair gepreiste Extras zur Auswahl, das spannende Performance-Paket ist aber gar teuer. Solide Verarbeitung, gefällige Materialien. In Bälde auch mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe zu haben.
Schutz & Sicherheit – Klassenübliches Aufkommen an Airbags und E-Fahrhilfen, mit dem günstigen Technologie-Paket und dem ebenfalls optionalen Toterwinkel-Warner fährt man auf der absolut sicheren Seite.
Preis & Kosten – Ohne Styling-Paket ist der Focus ST nach dem Renault Mégane RS der billigste Golfklassler in der Liga um die 300 PS, Hyundai i30 N und vor allem Honda Civic Type R sowie Seat Leon Cupra sind teurer. Ford-Vorteil gegenüber Honda & Renault: fünf Jahre Garantie. Vertretbarer Testverbrauch, relativ nahe an der Werksangabe. Lange Service-Intervalle, dazu dichtes Werkstatt-Netz. Mit so viel Leistung nicht ganz leichter Wiederverkauf.