THG-Prämie für Elektroauto-Besitzer

25. Dezember 2023
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Aktuelles

Es klingt beinahe zu schön, um wahr zu sein: einfach dafür, dass man ein Elektroauto besitzt, Geld lukrieren – zusätzlich zur Steuerbefreiung und der Förderung auf den Kaufpreis. Eine Online-Registrierung reicht, und schon kommen heuer um die 400 Euro aufs Konto, nächstes Jahr wahrscheinlich noch mehr. In etwa auf diese Weise wird das Geschäft mit der sogenannten THG-Prämie dargestellt – meist so, als würde es sich dabei um eine Art Ausschüttung von Ausgleichszahlungen an Kunden handeln. Was unrichtig ist – tatsächlich fährt jedes E-Auto eine Emissionseinsparung ein, der aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung zur CO2-Reduzierung ein Geldwert zugeordnet wird.

Diesen sogenannten THG-Quotenanteil kann der Fahrzeug-Besitzer verkaufen, weil sich etwa Unternehmen, denen eine eigene Senkung ihrer Emissionen im verpflichtenden Umfang nicht möglich ist, diese durch Zertifikate-Erwerb ausgleichen können. Es handelt sich also um keine Prämien-Ausschüttung, sondern um den Handel mit CO2-Zertifikaten, den es bereits seit längerem gibt. Nun wurde er nur auch bis zum Endkunden ausgeweitet. Warum dieser Unterschied wichtig ist, hat steuer­liche Gründe, doch dazu später. Inzwischen bieten mehrere Plattformen – meist mit der oben erklärten, mehr oder we­ni­ger unklaren Darstellung, ­worum es sich eigentlich handelt – an, bei Registrierung und Hochladen des Zulassungsscheins einen Fixbetrag zu überweisen. Das Angebot variiert derzeit geringfügig rund um 400 Euro, und da es sich teilweise um Ladenetzwerk-Betrei­ber handelt, kann es auch mit einer Rückerstattung der dort fälligen Grundgebühr kombiniert sein, was die Zuordnung weiter erschwert.

Tatsächlich tritt der Elektroauto-Besitzer damit seinen ­Quoten-Anspruch an einen Zwischenhändler ab. Was einerseits durchaus Sinn macht – die Ankäufer dieser Zertifikate können und wollen keine Kleindeals mit hunderten Zulassungsbesitzern machen, sondern kaufen die benötigte Quotensumme vom Zwischenhändler, der die notwendige Menge „einsammelt“. Der Vorteil für den einzelnen liegt darin, dass er so überhaupt zu Geld kommen kann. Dennoch wirft diese Handhabung einige Fragen auf und ist auch in vielen Punkten nicht vollständig ausdefiniert. Zunächst ist in Österreich die Umweltbundesamt GmbH in die Abwicklung eingebunden, was eine reichlich irreführende Bezeichnung ist – weil ein Amt keine GmbH ist und eine GmbH kein Amt sein kann. Ein von einem Amt ausgestellter Bescheid unterliegt dem verfassungsmäßigen Instanzenweg, kann also beeinsprucht werden, der einer GmbH nicht – leidensfähige Bürger kennen dieses Konstrukt aus Corona-Zeiten mit der in der Ablehnung von (auch gerechtfertigten) Ansprüchen äußerst umtriebigen Cofag GmbH, gegen die kein Rechtsmittel möglich war. Bei der Umweltbundesamt GmbH liegt in diesem Fall die Zertifizierung der Einzelansprüche, die für eine Auszahlung jedoch grundlegend ist.

Ein weiterer unklarer Faktor ist der Betrag selbst – er ist nämlich per Gesetz nicht definiert, sondern kann exakt nur nachträglich für das jeweils vergangene Jahr errechnet werden, wenn die tatsächliche Differenz von Ziel- und Real-Emissionen bekannt ist. Die Zwischenhändler geben jedoch an, die Höhe aufgrund ihrer Erfahrung in diesem (in der Form allerdings noch völlig neuen) Geschäftsbereich schon jetzt einschätzen zu können. Dass ihr Gewinn durch das Einbehalten eines gewissen Teils des THG-Quotenbetrags entsteht, geben sie dabei völlig korrekt an – wie hoch er ist, allerdings nicht. Dass schon aufgrund der kaufmännischen Sorgfaltspflicht eine entsprechend hohe Sicherheitsreserve definiert wurde, ist freilich anzunehmen.

Dazu kommt, dass der offizielle Zahlungsfluss – eben wegen des Berechnungszeitraums – nach Jahresablauf passiert, für 2023 also erst 2024. Dennoch werben die Zwischenhändler mit Auszahlung innerhalb weniger Wochen nach der Online-Registrierung – sie schießen die Beträge demnach also vor. Womit jeder Einzelverkäufer im Falle einer Insolvenz des Zwischenhändlers theoretisch zur Rückzahlung in das Sanierungsvermögen aufgefordert werden kann. Oder umgekehrt, falls sein eigener Anspruch noch besteht, diesen beim Masseverwalter anmelden muss, als kleiner Einzel-Gläubiger jedoch kaum Aussicht auf Erstattung hat.

Was indirekt auch zur bereits angesprochenen Steuerpflicht führt. Einige Zwischenhändler geben auf ihrer Homepage an, die THG-Prämie wäre steuerfrei, samt Haftungsausschluss direkt im Anhang. Tatsächlich sind Einnahmen aus dem Zertifikate-Geschäft, um das es sich hier handelt, für gewerbliche E-Auto-Nutzer jedoch sehr wohl steuerpflichtig. Das Finanzamt selbst möchte sich bei der Antwort, wie es sich für Privatbesitzer eines Strom-Pkw verhält, nicht festlegen und will die Sachlage noch genau prüfen. Dahingehend befragte Steuerberater sind jedoch der Ansicht, dass es sich hier, da sie jährlich anfallen, um die Ka­tegorie „sonstige wiederkeh­rende Einkünfte“ handelt, die ebenfalls steuerpflichtig sind – allerdings nicht, wenn sie weniger als die derzeit gültige Mindestgrenze von 730 Euro pro Jahr betragen. Wer zwei Elektroautos besitzt und daher auch die doppelte Quote beansprucht, liegt also bereits darüber.

Ebenfalls ungeklärt ist die Frage nach der Kontrolle und Ahndung von Missbrauch. Wer sein E-Auto mitten im Jahr anmeldet, hat Anspruch auf eine aliquote Auszahlung, also z.B. neun Zwölftel bei Zulassung am 1. April. Wird der Wagen abgemeldet, besteht theoretisch die Pflicht, das anzugeben, da für die dann fällige Rückzahlung die gleiche Anteils-Rege­lung gilt. Darüber, ob und wie das kontrolliert wird – etwa indem die Datenbank der Umwelt­bundesamt GmbH doppelt eingespeiste Fahrgestellnummern erkennt, sobald der Zulassungsschein des neuen Besitzers dort erfasst wird –, gibt es derzeit noch keine Angaben.

Foto: Robert May

Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe ALLES AUTO 07-08/2023