Traumauto Test Ford Bronco: Keine Pflaume prangt an der Front, Bronco scheint eine eigene Marke zu sein im amerikanischen Ford-Universum, so wie Mustang. Das Tier-Logo hier erinnert auch an den Sportler des Hauses, als hätte man den springende Hengst auf Hochformat gedreht – und wir lernen: Bronco bezeichnet ebenfalls ein ungezähmtes Wildpferd. In den USA wird die Reinkarnation des Kult-Kraxlers aus den 60ern bereits seit mehr als einem Jahr verkauft, und das gar prächtig. Jetzt schafft es der Bronco über den großen Teich, freilich nur in der längeren Fünftür-Variante – doch auch die ist ein Aufsehenerreger, selbst in fadem Grau. Nicht nur an den Urahn, sondern auch an den Puch, pardon: Mercedes G erinnern die runden Scheinwerfer im eckigen Kastl, der weiße Schriftzug dazwischen macht freilich sofort klar: Hier reitet ein echter Cowboy!
Der Bronco ist aber kein Blender
Er tut dies jedoch ähnlich wie im G hoch oben und nahe der Türverkleidung thronend, als Peil-Hilfe vorne dienen im Gegensatz zu den aufgesetzten Blinkerleuchten beim Grazer Kollegen zwei massive Verzurrösen. Vom Gefühl her könnte man daran den ganzen Vorderwagen hochheben, tatsächlich verdauen sie nur 68 Kilo Zugkraft – etwa wenn man am Dach ein Surfbrett oder ein auf den Kopf gestelltes Kanu festbindet, so eine kitschige Prospekt-Idylle darf man sich schon ausmalen.
Der Bronco ist aber kein Blender, sondern ein wahres Offroad-Tier, auf Leiterrahmen und mit echtem Zuschalt-Allrad (ja, natürlich verspannt sich dann der Antrieb bei stärker eingeschlagenen Vorderrädern), Getriebe-Reduktion sowie sperrbarem Hinterachs-Differenzial. Beim 12.000 Euro teureren „Badlands“ kann man auch die Vorderachse sperren sowie den dortigen Stabi ausklinken lassen, dazu gibt es eine Höherlegung und grobstolligere 17-Zöller mit größerem Querschnitt. Elektronische Gelände-Fahrhilfen hat jeder Bronco an Bord, etwa verschiedene Fahr-Programme, einen speziellen Offroad-Tempomat, Einpedal-Fahren mit starker Motorbremswirkung oder einen bei eingespannten Allrad per Knopfdruck aktivierbaren Modus, der den Wendekreis um bis zu 40 Prozent vermindert, indem er die kurveninneren Räder abbremst.
Ami mit V6-Benziner
Man ahnt schon, wohin die Reise mit dem Bronco geht, und so ist dieser Ami onroad tatsächlich kein Handling-Wunder. Die Lenkung ist Kraxler-typisch indirekt, wiewohl nicht unpräzise, der Aufbau hoppelt auf schlechten Straßen. In flotten Kurven bleibt der Ford-Krakler freilich brav in der Spur, Wanken fühlt man vorwiegend durch die hohe Sitzposition. Bis zum heimischen Autobahn-Limit passen auf jeden Fall die Sprint-Qualitäten, der doppelt aufgeladene und soundseitig gar nicht Ami-typische V6-Benziner bietet massig Drehmoment, verwaltet von einer Automatik mit satten zehn Gängen (wie im Mustang) – beim Hinaufschalten agiert sie flott und weich, beim Runterhakeln nicht immer.
Leben mit dem Wildpferd
Um sich in den Sattel zu schwingen bedarf es etwas Schwung, immerhin gibt es als Hilfe hierfür Trittbretter und Haltegriffe. Die Fensterheber-Tasten sucht man in der Türverkleidung vergeblich (kein Wunder, man kann die vier Pforten ja theoretisch ausbauen), findet sie dann aber wie schon beim ersten Jaguar XJ in der Mittelkonsole am Anstieg zur Armlehne – durchaus ideal zu ergreifen beim lässigen Lümmeln darauf. Die Multimedia-Ausrüstung ist durchaus OK, auch jene an Assistenzsystemen, schade bloß, dass der Adaptiv-Tempomat nicht bis zum Stillstand regelt.
Dazu finden sich im Cockpit jede Menge echte Knöpfe und Drehregler, die wichtigsten davon auch mit groben Fingern oder Handschuh-Händen zu bedienen. Überland lernt man den Druck aus zehn B&O-Lautsprechern samt Subwoofer schätzen, denn die Windgeräusche aus dem Dachbereich sind doch erheblich – obwohl die vier herausnehmbaren Paneele innen mit dickem Filz ausgekleidet sind. Nein, ein Reiseauto soll das bestimmt nicht sein, trotz fast 80 Liter großem Tank. Denn Kostverächter ist ein klassischer Ami natürlich keiner, immerhin schafften wir in der Praxis Verbrauchswerte nahe der Werksangabe.
Doch knapp 12 Liter laut WLTP münden hierzulande leider in 30 Prozent NoVA, was den Endpreis des Bronco sechsstellig macht. Eine Menge Holz für ein Auto, dessen Qualitäten wohl die wenigsten Käufer hierzulande erfahren werden. In Sachen Aufmerksamkeitswert ist dieser US-Ford freilich schon als Outer Banks eine Bank. Und so gesehen fast unvergleichlich. Die rund 100 Stück, die in den nächsten zwei Jahren in good old Austria einreiten, werden also mit Sicherheit Abnehmer finden.
Dieser Test erschien übrigens mit vielen weiteren in der Ausgabe November 2023 von Alles Auto, hier online zu bestellen.
Foto: Robert May
Daten & Fakten
Basispreis in € | 103.000,– |
Zyl./Ventile pro Zyl. | 5/4 |
Hubraum in ccm | 2694 |
PS/kW bei U/min | 335/246 bei 5250 |
Nm bei U/min | 563 bei 3100 |
Getriebe | 10-Gang-Automatik |
L/B/H, Radst. in mm | 4811/1852/1928, 2950 |
Kofferraum/Tank in l | 471/504–1780 / 79 |
Leergewicht in kg | 2289 |
0–100 km/h in sec | 6,7 |
Spitze in km/h | 161 |
WLTP-Normverbrauch in l (kombiniert) | 11,9 |
CO2-Ausstoß in g/km | 254 |