Die von der EU-Kommission durchgeboxte Einstufung der Atomenergie als emissionsfreie und somit ökologische Art der Stromerzeugung schlägt Wellen. Noch keine radioaktiven, aber politische: Umweltministerin Leonore Gewessler präsentiert sich schon einmal als künftige Führerin im Zwergenaufstand geÂÂgen diese Neudefinition. Eine günstige GeleÂgenheit, sich von der verkehrsbehindernden Buh-Frau zur patriotischen Galionsfigur zu wandeln – die Wiederauflage der ewigen Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Legende kommt da sehr gelegen. Im grünen Portfolio ist die zwar neu, hat in Österreich aber durchaus Tradition – siehe zwei Weltkriege, Waldheim-Affäre oder Haider-Sanktionen.
Nur dürfte Frau Gewesslers dafür schon gewissenhaft in Auftrag gegebenes Umwelt-Gutachten das hoffentlich chlorfreie Recyclingpapier, auf dem es gedruckt wird, nicht wert sein. Für die Vorstellung, die EU-Kommission würde sich in ihrer willkürlichen Opportunität um Fakten scheren, braucht es jedenfalls eine gehörige Portion politische Blauäugigkeit. Andernfalls wären etwa Elektroautos auch nicht emissionsfrei eingestuft, sondern mit dem durch ihren Strombedarf tatsächlich anfallenden CO2 benannt. Das wäre die Realität, die EU will es aber nun einmal so nicht haben.
Dazu versucht hier jemand, sich als Feuerwehr aufzuspielen, der gerade noch fleißig mit den Brandstiftern gemauschelt hat: Erst die leutselig dauergetrommelte Forderung nach dem Ausstieg aus den fossilen Energieträgern konnte dem scheintoten ÂThema Kernenergie (die abseits aller schwerwiegenden Nachteile tatsächlich klimafreundlich ist) neues Leben einhauchen. Die Öko-BeweÂgung hat sich damit – egal ob wissentlich oder aus schierer Realitätsferne – als Steigbügelhalter der Atom-Lobby engagiert. Jetzt ist sie bestürzt, dass die von ihr gerufenen Geister gekommen sind, um zu bleiben. Wer diese Entwicklung vorausgesehen hat, wurde vorher gnadenlos als Visions-Verweigerer angepatzt. Aber auch dafür, dass die Energiewende-Twitteria jetzt als Dodel-Club dasteht, wird man rasch einen SchulÂdigen außerhalb der eigenen Reihen finden.
Als Trost dürfen alle guten Ökos einen Blick auf die unbequemen Fakten wagen, denen sie sich bisher so leidenschaftlich verschlossen haben: Der Gesamt-Energiebedarf Österreichs – also alles, nicht nur elektrischer Strom – beträgt pro Jahr etwa 400.000 Gigawattstunden. Zwei Drittel davon stammen aus fossilen Energieträgern: Kohle, Benzin, Diesel, Heizöl, Erdgas. Um die zu ersetzen, bräuchte es allein für unser kleines Land etwa 40 Atomkraftwerke – was ebenso unrealistisch ist wie andererseits 50.000 Windräder für echten Grün-Strom in gleicher Wattmenge. Wer darauf besteht, kann diese Zahlen gerne durch den Faktor drei Âdividieren, weil der Direkteinsatz von Elektrizität ja angeblich viel effizienter ist, ganz egal: An der Lächerlichkeit der Umsetzung ändert es nichts.
Wir werden also weiterhin fossile Energieträger benötigen und sie auch nutÂzen – alles andere ist ein Märchen. Aber in denen geht es bekannterÂweise ja meistens um Täuschung und menschliche Schwächen.
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