TOP 10: Die größten Skandale der Autogeschichte

26. August 2016
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Wenn man ganz streng sein möchte, dann kann man viele Dinge als Skandale auslegen. Dass die Verbrauchsangaben praktisch nie stimmen. Oder dass Garantieanfragen einfach abgewiesen werden. Doch immer spielt sich alles in einem legalen Bereich ab. Moralisch zwar nicht immer einwandfrei, aber rechtlich absolut gedeckt. Wenn letzteres aber nicht der Fall ist, wird die Sache schon langsam interessant.

Und hier gab es in der Tat schon einige Vorfälle, die zumindest kurzzeitig aufhorchen ließen. Und die alle eines zeigen: Geht es um die Gewinnmaximierung, werden manche nie vor dubiosen Maßnahmen zurückschrecken. Auch wenn diese Tricksereien in der Vergangenheit schon oft mächtig in die Hose gingen. Dieser Deckmantel der Legalität ist übrigens auch der Grund, warum in dieser Auflistung kein Wort über das Drama von British Leyland oder über Fiat vor kommt. Sowohl die Gewerkschaftsprobleme der Briten, als auch die schlitzohrigen Maßnahmen der Tifosi waren zwar irre. Aber man konnte nie jemandem etwas anhaben.

Rallye Monte Carlo

1964 konnte Paddy Hopkirk erstmals auf einem Mini die legendäre Rallye Monte Carlo gewinnen. 1965 gelang dies Timo Mäkinen und 1966 sah es danach aus, als ob gleich die ersten drei Plätze von diesen Autos belegt werden könnten. Einfach weil diese Autos für diese Strecken wie gemacht waren. Das war zwar alles toll, aber nicht für die Franzosen, die „ihre“ Rallye gerne selbst gewonnen hätten. Daher wurde auf Teufel komm raus ein Grund gesucht, weswegen man das britische Trio disqualifizieren konnte.

Im dritten (!) Anlauf haben die unabhängigen Kommissäre schließlich etwas gefunden: Die Stärke des Glühfadens in den Scheinwerfern war illegal. So gewann auf dem Papier dann Pauli Toivonen auf Citroen ID – der aber als echter Sportsmann den Sieg nicht geschenkt haben wollte und sogar ankündigte, nie wieder auf einem französischen Produkt ein Rennen fahren zu wollen. Die Engländer reveanchierten sich typisch kühl – und zwar mit einem Sieg 1967.

Borgward

Ein bis heute höchst umstrittener Fall, der Potenzial für Spekulationen offen lässt. Fakt ist, dass Carl F.W. Borgward ein begnadeter Techniker war, von Unternehmensführung aber keinen Schimmer hatte. Die zu große Palette ritt die zu kleine Firma an den Rand der Liquidität. Und als es Probleme auf den Exportmärkten gab, ging den Bremern die Kohle aus. Schlechte Presse ließen die Stadt ihre Bürgschaft zurückziehen, und ein Konkursverfahren wurde eingeleitet. Borgward war am Ende, die Firma ging an die Stadt.

Fakt ist aber auch, dass Wirtschaftsprüfer Johannes Semler Vorsitzender wurde. Ein Posten, den er auch bei BMW inne hatte. Ob er je vor hatte, Borgward zu retten? Angeblich war Mercedes aktiv dabei, die Kreditvergabe an die Bremer zu unterbinden, um einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Jedenfalls führte das Vergleichsverfahren 1961 nicht zu einer Weiterführung des Unternehmens. Stattdessen konnten die Forderungen aller Gläubiger abgedeckt werden. Und dass sogar 4,5 Millionen Mark übrig blieben, lässt bis heute stark daran zweifeln, ob Borgward wirklich zahlungsunfähig war.

Tucker

Eine Geschichte wie ein Drehbuch. Und tatsächlich schaffte es Preston Tucker, auf die große Leinwand zu kommen. Der geniale Techniker aus den USA, der mit seinem Tucker 48 der Autoindustrie das fürchten lehren wollte. Sein erstes Modell strotzte nur so vor Innovationen: Sicherheitsgurte, Einzelradaufhängung, Kurvenlicht, sogar Scheibenbremsen und ein erstaunlicher cW-Wert von 0,27 galten 1947 als bahnbrechend. Zu bahnbrechend, zumindest für General Motors, Ford und Chrysler. Denen war der kleine Tucker ein Dorn im Auge.

Wenn der erfolgreich wird, könnten die großen Drei mit ihrem altmodischen Kram einpacken. Daher startete man eine Verleumdungskampagne nach der anderen gegen ihn. Von Gerüchten über die schlechte Technik des Torpedo bis hin zu Vorwürfen der Steuerhinterziehung, viel musste Preston über sich ergehen lassen, und alles gipfelte in einem Prozess, in dem es um 30 Millionen Dollar ging. Zwar wurde er freigesprochen und auch die nötigen 51 Autos, die es zu bauen galt, standen mehr oder weniger fertig in den Werkshallen. Doch da war es schon zu spät. Tucker wurde liquidiert. Und die großen Drei? Die verleibten sich Prestons Ideen Stück für Stück ein.

Opel und VW: Ignacio Lopez

Es muss schon etwas sehr Heftiges passiert sein, wenn sich der US-Präsident und der deutsche Bundeskanzler zusammensetzen. So war es in den Neunziger-Jahren, als eine Person in der Autobranche gehörig Staub aufwirbelte: Ignacio Lopez. Der Chefeinkäufer von GM war bekannt für seine brutalen Verhandlungstaktiken, mit denen er Zulieferer ausquetschte und Entwicklungskosten sogar auf sie abwälzen konnte. Das führte zu abnormal niedrigen Produktionskosten, was den damaligen VW-Chef Ferdinand Piech sehr beeindruckte.

Aber auch zu sehr schlechten Bauteilen, weswegen die Opels und VW der damaligen Zeit als nicht wirklich haltbar gelten. Jedenfalls nahm Lopez so viele Unterlagen von seinem alten zu seinem neuen Arbeitgeber mit, dass es Klagen wegen Industriespionage in Deutschland und den USA gab. GM war mächtig sauer und konnte erst durch das Einwirken von Helmut Kohl und Bill Clinton dazu bewogen werden, sich auf einen Vergleich einzulassen. VW musste Unmengen zahlen, GM dazu noch Unmengen an Bauteilen abkaufen. Und, sie mussten Ignacio Lopez vor die Türe setzen. Inzwischen sitzt Lopez übrigens in einem Irrenhaus.

Audi 200

Natürlich ist es furchtbar, wenn eine Mutter ihr eigenes Kind überfährt. Vor allem, wenn das Auto aufgrund eines Konstruktionsfehler daran schuld ist. Aber ganz so einfach war das damals mit Audi nicht. In den 1980ern konnten die Ingolstädter in den USA langsam Fuß fassen. Der 5000 (so hieß drüben der 200er-Audi) galt als schnell, cool, zuverlässig und preiswert. Das kam in Detroit natürlich nicht ganz so gut an, und dieser Zwischenfall, wo eine Mutter ihr Kind mit ihrem Audi 5000 an die Garagentür fuhr, konnte perfekt ausgeschlachtet werden.

Audi geriet in den Kugelhagel der Presse. „Unintended acceleration“, das Auto, das von selbst beschleunige, der Ruf war im Nu ruiniert. Dass jedes Auto mit Automatikgetriebe dieses Verhalten an den Tag legt, sobald man den Fuß vom Bremspedal nimmt, war bei dieser Hetze völlig egal. Denn die arme Frau hat die Pedale schlichtweg verwechselt. Weil das Bremspedal bei Audi nämlich viel kleiner ist als bei all den Ford, Chrysler und Chevys. Dass es bis heute kein Ergebnis und Urteil gibt, zeigt nur, dass die Beweisführung mehr als dünn war. Aber der Ruf war untendurch, die Verkaufszahlen von Audi fielen ins Bodenlose, und zwar für Jahrzehnte.

General Motors

Es gibt Skandale, da wird weltweit ein wahres Medienfeuerwerk abgeschossen. Und dann gibt es welche, bei denen es nachweislich Todesopfer gab, und nach denen muss man schon etwas länger googeln. Zum Beispiel nach der Causa Zündschloss. GM hatte rund 30 Millionen Autos ausgeliefert, bei denen das Zündschloss einen fatalen Defekt aufweisen kann: Schlagartig kann nämlich die Zündung ausfallen, und damit die gesamte Bordelektronik.

Also auch die Lenkung, oder Scheinwerfer, also ziemlich viele wirklich wichtige Funktionen, und so gab es im Endeffekt zahlreiche Unfälle, die nur auf das Konto dieses Defekts gingen. Anfangs redete GM noch von 13 Todesopfern. Mit der Zeit erhöhte der Konzern diesen Wert aber auf 124 Todesfälle und 275 Verletzte. Wie die Sache ausging? GM zahlte 900 Millionen Dollar, um eine Untersuchung durch die Regierung zu beenden, fertig. Ein Manöver, von dem VW nach dem Abgasskandal nur träumen kann.

Toyota

1,2 Milliarden Dollar, so viel musste Toyota an die US-Behörden zahlen, um aus dem größten Dilemma zu kommen, in dem die japanische Bude jemals gesteckt ist. Es hieß, Prius und Co würden aufgrund defekter Gaspedale von selbst beschleunigen und so von selbst irgendwo dagegen fahren und die Fahrer umbringen. Dann hieß es, die Fußmatten seien schlecht befestigt. Jedenfalls aber stand Toyota brutal in der Kritik, gefährliche Autos zu bauen, was in den USA so etwas wie ein Todesurteil für eine Marke sein kann. Siehe Audi.

Es folgte ein wahres Zu-Kreuze-kriechen des Toyota-Bosses vor der Untersuchungskommission. Und obwohl er wusste, dass seine Firma nichts dafür konnte, versprach man verbesserte Qualitätssicherungen und ein Nachbessern der betroffenen Fahrzeuge. Wer die treibende Kraft hinter diesem Medienskandal war? Man weiß es nicht genau. Fakt ist: Nur in einem einzigen Fall konnte eine verrutschte Fußmatte als Unfallursache nachgewiesen werden. Und von Alles Auto durchgeführte Tests zeigten schon vor Jahren, dass man einen Toyota auch dann bis zum Stillstand abbremsen kann, selbst wenn das Gaspedal voll durchgetreten ist.

Dieselgate

Man kommt an diesem Fall einfach nicht vorbei. Also, eine kompakte Aufarbeitung der Dinge: VW versuchte jahrzehntelang, in den USA Fuß zu fassen. Ging nach dem Käfer aber nicht mehr. Also griff man zu drastischen Mitteln. Clean Diesel, also Selbstzünder mit sensationellen Abgaswerten zu guten Preisen verkaufen. Die Konkurrenz war verblüfft, wie VW das geschafft hat, denn keine Firma konnte es sich mit rechten Dingen erklären. Was (angeblich) keiner wusste: Die Software in den Autos erkannte, wann ein Abgastest auf einem Prüfstand anstand und passte Einspritzmenge und andere Faktoren so an, dass die Abgaswerte sensationell waren.

Auf der Straße hingegen lagen die Werte um ein vielfaches drüber, aber dafür gingen die TDIs dann wie die Feuerwehr – ein wichtiges Verkaufsargument. Irgendwann meinten dann Vereine, warum VW diese tollen Motoren nicht auch in Europa anbiete. Und Institute machten VW darauf aufmerksam, dass von ihnen durchgeführte Tests erhebliche Abweichungen von den Werksangaben zum Vorschein brachte. Nie reagierte Wolfsburg richtig, sondern nahm diese Warnungen nur zum Anlass, die Cheat-Software noch weiter zu verfeinern. Bis irgendwann mal alles vorbei war.

Chevrolet

Bleiben wir noch kurz bei VW. In den 60ern, als die Deutschen in den USA nämlich noch erfolgreich waren, wollte es Chevrolet ihnen gleich tun. Also brachten sie die Corvair auf den Markt. Heckgetrieben und mit einem luftgekühlten Boxermotor versehen wie der Käfer und der 911. Und auch dieses Modell verfügte über eine Pendelhinterachse, die bei zu hohen Kurvengeschwindigkeiten schlagartig ihr Wesen verändern konnte.

Wenn das kurvenäußere Rad wegknickte, also schlagartig von negativen in positiven Sturz über ging, übersteuerte die Corvair auf einmal. Das bewirkte zahlreiche Unfälle, viele Todesopfer und ein generelles Umdenken in den USA, was für gefährliche Autos eigentlich auf dem Markt sind. Ralph Naders Buch „Unsafe at any speed“ räumte kräftig mit diesen Autos auf und brach in letzter Konsequenz nicht nur der Corvair, sondern auch dem Käfer das Genick. Die USA führten strengere Auflagen und Crash-Tests ein.

Rolls Royce und Bentley

Wenn ein Versuchsingenieur dem Boss meldet, dass das Auto der Konkurrenz besser ist, kann das nur für einen eine gute Nachricht sein: Für den Konkurrenten selber. Walter Owen Bentley tat es gut, dass Erzrivale Rolls Royce gegen sein neues Modell keine Chance haben wird. In Le Mans war man auch erfolgreich unterwegs, es deutete also alles auf eine prächtige Zukunft hin. Doch dann kam die Weltwirtschaftskrise, und Bentleys Kreationen schlagartig nicht mehr gefragt. Investoren zogen sich zurück, Bentley musste seine Firma verkaufen.

Wichtig aber: nur nicht an Rolls Royce! Es gab sogar schon einen Wunschübernahmepartner, nämlich Napier & Son. Doch plötzlich tauchte ein bis dato unbekannte Unternehmen namens „British Central Equitable Trust Limited“ auf, machte ein deutlich höheres Angebot und bekam den Zuschlag. Rolls Royce wusste, dass sie nie Bentley Motors Ltd. Bekommen hätten, also setzten sie genau diese Strohfirma ein, um doch an ihren größten Konkurrenten zu kommen. W.O. Bentley konnte die Übernahme bis an sein Lebensende nie ganz überwinden.