Der Besuch der IAA in München warf mehr Fragen auf, als er beantworten konnte. Zunächst war da der Name: „Internationale Automobil-Ausstellung“ wurde um das trendige „Mobility“ ergänzt. Nicht nur die beiden Sprachen, sondern auch die beiden für sich stehenden Bezeichnungen wollten schon auf Anhieb nicht so recht miteinander. Auto-Kritiker behaupten, die Mobilitäts-Wende gehe nur ohne die bösen Konzerne. Unternehmen (und Politik) hingegen schaffen es dabei nur schwer, die Menschen in ihrer Lebensrealität abzuholen. Mobility als Eliten-Thema. Dass wenige internationale Auto-Hersteller präsent waren, sondern in erster Linie deutsche, war für die Sinnhaftigkeit des Namens auch nicht gerade förderlich. Stirnrunzeln.
Und dann das Ausstellungskonzept. Die einzelnen Marken-Bereiche im Messe-Areal wurden von aufwändig inszenierten, auf die Münchner Innenstadt verteilten Konstruktionen ergänzt. Denkt die Industrie tatsächlich, dass die Zukunft des Autos in der City liegt, oder geht es einfach nur darum, die Weltuntergangsstimmung der angeblich ohnehin nicht mehr Auto-affinen Stadtbevölkerung auszunutzen, um sie doch noch verzweifelt zu einem Kauf eines Elektroautos zu verleiten? Vielleicht hätte man den Fokus eher auf das Umland legen sollen, dort hat das Auto nämlich tatsächlich noch einen Auftrag zu erfüllen – so hätte man sich auch gleich die (an den Pressetagen noch nicht in Verwendung befindlichen) E- Scooter- und E-Bike-Verbindungen zwischen den Ausstellungs-Zonen sparen können. Die dadurch frei gewordenen Halbleiter hätten der Auto-Produktion sicher nicht geschadet.
Als wäre der innere Widerspruch nicht schon groß genug, legte so mancher Presse-Auftritt noch einen drauf. Renault-Boss und Ex-Volkswagen-Mann Luca de Meo sprach bei der Präsentation des rein elektrischen Mégane davon, dass der Wagen wie ein GTI fahren würde – was für Irritation im Fachpublikum sorgte. Abseits der Tatsache, dass „Renault Sport“ als traditionelle Dynamik-Marke der Franzosen als zumindest gleichwertiger Maßstab für frontgetriebene Fahrdynamik herhalten hätte können, sollte de Meo beizeiten einen Track-Day am Nürburgring besuchen – dort wird ihm sicher gern jemand vorführen, wie ein GTI fährt (egal ob von VW oder von Peugeot).
Die selbstbewussten Ankündigungen des dynamischen Italieners an der Spitze des französischen Konzerns machen aber auch Appetit – wir freuen uns jedenfalls schon auf unseren ersten Test mit dem neuen Kompakt-Stromer von Renault.
Zurück zur IAA: Alle, die sich im Rahmen der Messe darüber aufgeregt haben, dass auch E-Scooter und E-Bikes ausgestellt werden, sollten ihre Sichtweise überdenken. „Leben und leben lassen“ sollte das Motto lauten. Solange über 1000 PS starke Hypercars oder auch leistbare und praktische Familienautos öffentlich ausgestellt werden, ist der Privat-Pkw und die Kultur, die ihn umgibt, nicht tot.
Es wäre nur wünschenswert, wenn alle Vertreter der Autoindustrie das auch authentisch nach außen leben würden – an spannenden Neuvorstellungen und Lösungen für die Automobilität von heute und morgen hat es bei dieser Messe schließlich nicht gemangelt.
Foto: IAA