Glavitzas Gschichtln – Steve McQueen und der Nazi-Doktor

5. Januar 2022
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Feature

Es war im Frühsommer 1970, als wir in einem silber­blauen Porsche „Neinöfa“ in die lange Hunaudières-Gerade ­außerhalb von Le Mans einbogen. Wir, das waren der berühmte US-Filmstar Steve McQueen und der unbekannte, ­dafür gebürtige Kapfenberger auf dem heißen Sitz. Dieses Duo fuhr in Richtung des kleinen Dorfs Mulsanne – um dann knapp vorher an einem Golfplatz Richtung Arnage abzubiegen.

Steve fuhr sehr langsam, er war sozusagen auf Motiv­suche für sein damals neues Filmprojekt „24 Stunden von ­Le Mans“. Und so hatte ich Zeit, ihn zu fragen, wie sein ­Verhältnis zu Hubert Fröhlich sei, dem Chef der Produktion dieses cineastischen Vorhabens. Nachdem er mich vorher gefragte hatte, was Amerikaner für gewöhnlich Österreicher fragen, nämlich über Salzburg („Sound of Music“) und Ski­fahren, wandte er sich langsam mir zu, lachte und erzählte mir eine Geschichte über den Hamburger Filmemacher.

Es war nach den Dreharbeiten zu „Die glorreichen Sieben“ mit Fröhlich als Produktionsleiter gewesen, als McQueen mit „Buddy“ Malcolm Smith (im Bild links neben Steve) auf Motorrädern durch die seiner kalifornischen Heimat nahegelegene Baja-Wüste (in Mexiko) pfeilte. Dabei traf sein Freund mit dem Vorderrad einen Stein, was wiederum in einem ­doppelten Salto vorwärts geendet hatte. Das allein war noch nicht schlimm, schlimmer war, dass die Sohle des Stiefels samt Fußsohle (!) gespalten lose nach unten hing – und das mitten in der Wüste. Steve wusste, dass in dieser Gegend Wundstarrkrampf und Blutvergiftung in der Luft schwirrten wie Fliegen. Also packte er Malcolm auf seine Husky 400 (Husqvarna Motocross-Rennmaschine) und raste Richtung ­Tijuana zum Grenzübergang nach San Diego.

Dort fragte er einen Harley-Cop nach einem Arzt und fuhr auf kürzestem Weg hin. Der Herr Doktor wollte gerade zum Golf und hatte eigentlich keine Lust, jemanden zu retten. Nach einem kurzen Blick auf die grausliche Wunde nickte er bedeutungsvoll, erinnerte sich an den Eid des Hippokrates – und seine Patienten zeitgleich an die bar zu begleichenden Heilkosten. Der Betrag an sich schreckte Steve wenig, sein Problem war, dass in seinen Motocross-Hosen keine paar tausend Dollar waren. Also sagte er, er wäre Steve McQueen und das Geld kein Problem. Der Doktor sah ihm nur ausdruckslos in die Augen und antwortete: Jaja, er selbst wäre Marlon Brando – und wies höflich zum Ausgang. Ohne Cash gäbe es hier nichts!

Da entdeckte Steve etliche deutsche Bücher aus der Zeit um den zweiten Weltkrieg im Regal des Medicus und erin­nerte sich plötzlich an seinen „Feldwebel“ Hubert Fröhlich. Er bat, in Hamburg anrufen zu dürfen. Der Arzt willigte ungeduldig ein, schließlich wollte er zum Golf – und er ­entschloss sich, dem blonden Jüngling, der Steve McQueen zugegebenermaßen sehr ähnlich sah, noch eine Chance zu ­geben. Zur Erleichterung hob Hubert ab, in Hamburg war es immerhin drei Uhr früh. Steve erzählte ihm die Geschichte und auch von den Büchern im Regal. Hubert dröhnte: „Gib mir mal den Mann!“ Fröhlich versprach dem Arzt eine Originalausgabe „Mein Kampf“ mit Führer-Widmung in Tinte, dazu jede Menge Parteiabzeichen, sogenannte „Ritterkreuze mit Eichenlaub“, HJ-Dolche und mehr. Der Kopf des Medicus glühte vor Freude, er vergaß aufs Golfspielen und begann ­sofort mit der Operation – Steves Freund war gerettet! Ob Fröhlich selbst ein strammer Rechter war, oder er den Arzt einfach nur zum Narren hielt, blieb unklar. Hoffen wir auf Letzteres.

Foto: Archiv Glavitza