Das grüne Rennen: E-Bike VS E-Car

5. Juli 2016
Keine Kommentare
5.517 Views
Feature

Es ist das ewige Duell, die ewige Streiterei, die ewige Diskussion: Ist man in der Stadt jetzt eigentlich mit einem Fahrrad, oder doch dem Auto schneller dort, wo man hin will? Doch wehe dem Autofahrer, er gewinnt den Geschwindigkeitsvergleich. Dann ist die Öko-Abteilung freilich gleich parat und wirft vermutlich ein, dass er mit seinem ach so schnellen Auto quasi direkt Baby-Eisbären umgebracht hat. Mag Blödsinn sein, aber bei einem haben Radler schon recht: Weniger Schadstoffe haben auf ein und dem selben Weg durch die Stadt definitiv sie ausgestoßen … zumindest solche, die für die Natur schädlich sind. In Hinblick auf die “Umwelt” in einem Lokal oder Büro sitz’ ich persönlich dann doch meist lieber neben jemandem, der im klimatisierten Auto gekommen und nicht schweißüberströmt hergeradelt ist.

Aber wie dem auch sei: Seit einiger Zeit wurden die Karten in Sachen Schadstoffausstoß und innerstädtische Mobilität nun erneut neu gemischt! Kleine E-Autos wie der Renault Zoe lassen die kleinen Baby-Eisbären nämlich leben, sind aber trotzdem schneller. Oder etwa nicht? Immerhin haben auch die Radler auf- und ihre Drahtesel mit E-Motoren ausgerüstet. Und manch seltene Exemplare sind dabei noch nicht einmal hässlich – man nehme nur unseren entsprechenden Testprobanden: das E-Bike von Freygeist.

 

Das von einem über Crowdfunding finanzierten Startup auf die Beine gestellte Rad sieht auf den ersten Blick gar nicht aus wie ein e-Bike … immerhin sind diese oft daran zu erkennen, dass sie ein großes Akku-Pack auf ihrem Rahmen beherbergen. Ungefähr dort, wo man normalerweise eine Wasserflasche hinhängen würde. Nicht so beim Freygeist: Dort haben die cleveren Ingenieure den Akku nämlich im Rahmen versteckt. Auch in positivem Sinne ungewöhnlich: Das Gewicht ist mit 12 Kilo immer noch angenehm niedrig. Dennoch liefert das Bike ganz schön Schub. 35nm stellt der in der Hinterradnabe versteckte Motor maximal zur Verfügung, sobald man in die Pedale tritt. Und das bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Darüber ist man wieder auf sich gestellt. Auch aus rechtlichen Gründen – von wegen Einstufung als „Fahrrad“ und nicht doch schon „Kraftfahrzeug“. Das fahren selbst hingegen weißt keine Unterschiede zum klassischen Radfahren auf: Freilauf, Gang-Schaltung, Bremsen vorn und hinten … alles wie man es seit der Kindheit kennt.

Clipboard01Nachdem allerdings auch meine letzte, ausgiebigere Radfahrt irgendwo in meiner Kindheit liegen dürfte, war schnell klar, dass ich nicht viel Sinnvolles zu dem Bike würde beitragen können. Glücklicherweise kenne ich ja aber jemanden, der Radfahren tatsächlich freiwillig betreibt … und das oft. Ulrich heißt der nette Herr, der auf den Fotos hier das Freygeist pilotiert. Und er ist leidenschaftlicher Radlfahrer. Dementsprechend war es für ihn nicht nur deutlich sicherer unser Rennen zu fahren, er konnte zudem durchaus sinnvolle Inputs dazu liefern, was das Rad als eBike eigentlich so kann. Aber dazu am Schluss. Nun ist es Zeit unseren zweiten Probanden unter die Lupe zu nehmen: den aufgefrischten Renault Zoe.

Nachdem wir zu diesem kleinen Stadtflitzer erst vor kurzem den neuen Test online gestellt haben, erlaube ich mir für technische Details einfach auf selbigen zu verweisen. Hier soll es nun nur um seine Eignung als Teilnehmer unseres Rennens gehen … und dafür bringt er die besten Voraussetzungen mit: Klein, wendig und natürlich voll elektrisch. Ach ja: und praktisch ist er auch. Wie wir herausgefunden haben, geht sogar ein Fahrrad rein … zwar nicht gerade leicht, aber immerhin.

DAS RENNEN

Die Probanden sind gestellt, das Setting ist klar: Flucht aus der Stadt, nach der Arbeit raus ins Grüne. Dafür musste freilich eine glaubwürdige Route her. Das Ergebnis: Wir starten auf der Taborstraße in Wien, ganz in der Nähe von vielen Büros und vor allem: Mitten in der Stadt. Dann führt uns der Weg weiter zum Naschmarkt. Immerhin soll unsere Flucht ins Grüne ja spontan sein, also muss für das Picknick auf der Wiese erst noch eingekauft werden. Und dann geht es schnurstracks richtung Stadtrand. Genauer gesagt gen Westen, zum Lainzer Tiergarten – einem ummauerten Naturschutzgelände direkt in Wien, das auf einer Fläche von 2.450 Hektar einige der schönsten und erholsamsten Flecken der Stadt bietet. Die Route dorthin ist für beide Kontrahenten schwierig. Nur aus unterschiedlichen Gründen …

 

Um 17:00 Uhr ging es los. Die erste Etappe ist nicht lang, aber klar zu Gunsten des Radfahrers ausgelegt. Schon am Start: die Wiener Einbahnregellung schickte uns am Steuer des KFZ gleich einmal in die falsche Richtung. Ulrich konnte das am Rad einfach umgehen… und das Gesetzes-konform. Noch ein wichtiger Punkt nämlich: Für unser Rennen waren beide angehalten sich an alle geltenden Gesetze zu halten. Auch wenn es also gerade am Rad oft nicht gängige Praxis ist, blieb Ulrich bei roten Ampeln stehen, fuhr nur auf Radwegen oder der Straße und missachtete auch sonst keine Gesetze – ebenso wie ich am Steuer des Zoe versteht sich. Just diese besagen freilich auch, dass ich mit meinem Zoe bis zu 50 km/h fahren durfte. Ulrich mag zwar ein guter Radfahrer sein, aber SO gut ist er auch nicht. Die ersten paar grünen Ampeln hintereinander war der Vorsprung des Radlers dahin, die Power des KFZ schlug zu und ich zog vorbei. Wie geahnt war die Freude aber nur kurz. Der Berufsverkehr in der Wiener Innenstadt war gewohnt dicht. Auf der Straße zumindest, nicht am Radweg. Es ergab sich so etwas wie ein Kopf an Kopf Rennen. Immer wieder zog das Freygeist am Zoe vorbei, nur um seinen Vorsprung bei der nächsten roten Ampel wieder zu verlieren – zumindest die sind für Auto- und Radfahrer nämlich gleich geschalten. Irgendwann war es dann aber vorbei. Mitten im Stau stehend war Ulrich auf und davon.

 

zoe_ebike_20_mayDie nächste Challenge: Der Naschmarkt ist stets gut besucht und wie gesagt mitten in der Stadt – in einer Kurzparkzone. Parkplatz suchen und Parkschein ausfüllen würden mich am Steuer des Zoe also weiter ausbremsen … dachte ich. Wie es das Glück so wollte, war dem aber nicht so. Sofort ein Parkplatz gefunden, Parkschein rein und ab die Post. Blöd nur, dass Ulrich zu diesem Zeitpunkt gerade an mir vorbeidüste … Einkauf erledigt, er war schon wieder am Weg. Doch der Vorsprung war relativ knapp: keine ganzen vier Minuten hatte der Radler dem zweispurigen Franzosen durch die Stadt abknöpfen können. Das würden der Zoe und ich auf der nächste Etappe locker wieder aufholen. Immerhin führt diese über fast 12 Kilometer aus der Innenstadt heraus, teilweise mit Steigungen. Wohl könnte hier just der E-Antrieb helfen, aber eben nur bis 25 km/h, nicht bis 50 …

Mit diesem guten Gefühl im Bauch begann ich meinen kleinen Shopping-Trip: drei paar Würstel … sollte reichen. Wäre da nicht die ausgezeichnete Naschmarkt-Verkäuferin gewesen. „Wollen’s vielleicht auch was zum trinken?“ … naja, eigentlich schon. Also war er schon eingepackt, der Marillensaft aus der Wachau. „Und Käse hätten wir auch noch. Da, schauns: dieser gereifte Gouda ist herrlich!“ … stimmt, schaut gut aus. Auch einpacken bitte. „Und haben’s das Brot da vorn schon gesehen?“ … ja klar hab ich dann auch noch ein Focaccia gekauft. Und ein Nussbrot auch. Ich bin schwach. Aber was soll’s! Zurück ins Auto! Es gilt ein Rennen zu gewinnen.

zoe_ebike_22_mayUnd ja, es lief gut! Die Wiener Innenstadt war schnell verlassen, eine grüne Welle geritten, der durch die Ampeln ausgebremste Ulrich ungefähr bei Kilometer 5 ruckzuck wieder überholt. Doch dann der Schreck: Bei Schönbrunn, ein Monster-Stau. Drei Spuren dicht gedrängte Autos – nichts ging mehr. Offensichtlich waren wir nicht die einzigen, die „aus der Stadt raus“ wollten. Das Problem: Die Radfahrer können hier auf Radwege entlang der anderen Seite des Wien-Flusses ausweichen – wohl mit Ampeln und einigen Straßenkreuzungen, aber eben ohne Stau. Außerdem konnte Ulrich eine kürzere Route nehmen. So sah ich ihn, auf der anderen Seite der Wien, langsam an mir vorbeiziehen. All meine Hoffnung ruhte nun auf dem letzten Stück der Strecke – einer gefühlt ewig langen Gerade leicht bergauf Richtung Lainzer Tiergarten. Hier baute ich darauf, dass den Radler langsam die Kräfte verlassen würden – zumal er für mehr als 25 km/h ja allein auf seine Haxerl vertrauen musste. In diesem Sinne „leider“, war der Saft allerdings nie ein Problem. Weder beim eCar, noch beim eBike, das bis zu 100 km Reichweite mit einer Akkuladung schafft, oder aber bei unserem fitten Biker. Denn die traurige Wahrheit ist: Als ich mit quietschenden Reifen durch den letzten Kreisverkehr Richtung Parkplatz fuhr, saß der liebe Ulrich schon gemütlich in der Sonne und fadisierte sich. Rund 10 Minuten betrug sein Vorsprung am Schluss – und das ganz ohne zu schwitzen oder auch nur ein Eisbären-Baby gefährdet zu haben. Gut, beides tat ich auch nicht, doch ich war langsamer. Der Gewinner unseres Rennens nach Zeit steht also fest: das eBike.

 

DAS FAZIT

Seien wir mal objektiv: Das Rad war schneller. Punkt. Und vermutlich ist es das oft. Vor allem, wenn es eines ist wie das Freygeist – mit maximal 500 Watt und 35 NM Leistung. Trotzdem: Ulrich hat uns bestätigt, dass das Bike noch nicht perfekt ist. So greift der Motor erst nach ungefähr dem ersten Meter treten ein. Hilft also dann, wenn man es auch schon sehr gut brauchen würde – beim Anfahren – noch nicht mit. Dafür drückt der Motor noch ein bisschen an, wenn man schon aufgehört hat zu treten. Blöd, wenn man damit aufgehört hat weil der LKW vor einem plötzlich stehen geblieben ist. Da wird’s dann schon mal knapp. Dennoch: Das ist reine Einstellungssache und von den Freygeist-Leuten sicher bald behoben. Die Komponenten an sich sind jedenfalls vom feinsten – auch wenn sie oft mehr Richtung Style als Funktionalität ausgewählt wurden.

Auch der Renault Zoe hat sich tapfer geschlagen: Als reines Stadtauto ist er noch immer eine wohl perfekte Wahl für den Alltag. Gerade weil mir in eben diesem aufgefallen ist, dass es eigentlich ein schon recht dichtes Netz an Lademöglichkeiten für E-Mobile gibt. Hier ist man kaum mehr eingeschränkt. Das gilt auch fürs Fahren. Klar verleitet die Ladeanzeige etwas zum Schleichen. Immerhin bleibt das Gefühl, dass man bloß nicht auf unter 10% kommen will. Wer weiß immerhin, wo dann die nächste E-Tanke ist? Die ganze Wahrheit ist allerdings, dass das vor allem Probleme von Leuten wie mir sind, die nur eine Woche damit herumfahren und sonst Verbrenner gewohnt sind. LEBT man mit einem Zoe, wird die e-tankstellen-finder-App schnell zum besten Freund, man kennt die E-Tanken und entspannt sich – und genießt das gute Gefühl des Umweltschutzes und des lautlosen Gleitens. Und das macht ihn für dieses Rennen zu einem Verlierer mit hoch erhobenem Kopf.