Porsche Cayman S

22. März 2006
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Tests

FAHRZEUGDATEN

Marke:Porsche
Klasse:Coupé
Antrieb:Hinterrad
Treibstoff:Benzin
Leistung:295 PS
Testverbrauch:11,5 l/100km
Modelljahr:2006
Grundpreis:70.600 Euro

Sportgerät für die Rennstrecke – aber auch ein brauchbares Reiseauto: Porsche Cayman S

Bereits in den 30er-Jahren baute die Auto Union (Vorgänger von Audi) Grand-Prix-Wagen mit Mittelmotor. Der endgültige Durchbruch dieses Konzepts gelang im Jahr 1959, als Jack Brabham auf einem leistungsmäßig unterlegenen Cooper Climax Formel-I-Weltmeister wurde. Seither führt kein Rennerfolg mehr an der Mittelmotor-Bauweise vorbei.
Und genau darin liegt der Hauptunterschied zwischen dem Cayman und dem klassischen 911er. Beim Cayman – wie auch bei der in wesentlichen Teilen identischen Bau-Basis Boxster – wurde die Antriebseinheit sozusagen umgedreht. Damit liegt der schwere Motor vor und das leichtere Getriebe hinter der Antriebsachse.
Diese Anordnung bringt erstens eine ausgeglichenere Gewichtsverteilung mit immer noch leichten Vorteilen für die angetriebenen Hinterräder, jedoch ohne die ausgeprägte Hecklastigkeit des 911ers. Zweitens geriet trotz 86 Millimeter geringerer Außenlänge der Radstand beim Cayman um 65 Millimeter länger als beim Carrera, was der Fahrstabilität zugute kommt. Und drittens verbessert die Konzentration schwerer Bauteile in Wagenmitte die Reaktion auf Lenkbewegungen.
Diese schon von Grund auf fahraktive Auslegung setzte Porsche bei der Feinabstimmung des Fahrwerks konsequent fort. Im Gegensatz zum 911er, der künstlich zum Untersteuerer umerzogen wurde, lässt man beim Cayman an der Vorderachse den vollen Grip zu. Damit folgt das neue Porsche-Coupé Lenkbewegungen mit geradezu rennwagen-mäßiger Präzision und erreicht selbst auf nasser Fahrbahn ungeahnt hohe Kurvengeschwindigkeiten.
Ist die Bodenhaftung allerdings einmal ausgeschöpft, heißt es aufpassen. Dann hält der Cayman für seinen Fahrer nämlich mittelmotor-typisch das ganze Repertoire zwischen Unter- und Übersteuern bereit, letzteres vornehmlich in sehr schnellen Kurven. Zwar bricht das Heck nie schlagartig aus, rasches Gegenlenken ist aber jedenfalls angesagt – als Sicherheitsnetz fungiert überdies die (abschaltbare) Stabilitätskontrolle.
Leistungsmäßig verpasste Porsche dem Cayman S – eine schwächere S-lose Version folgt im Sommer 2006 – 200 Kubikzentimeter und 15 PS mehr als dem stärksten Boxster, damit läuft das neue Coupé 275 Spitze (Boxster S: 268 km/h) und erledigt den Sprint von Null auf 100 in 5,4 Sekunden (Boxster S: 5,5 Sekunden).
Das Gefühl brutaler Beschleunigung kommt dennoch nie auf, das liegt vornehmlich an der gleichmäßigen Kraftentfaltung – flottes Tempo kaschiert das überragende Fahrwerk, das weit mehr als 295 Pferde verkraften könnte. Erst die Tachonadel – beziehungsweise die sicherheitshalber im mittigen Drehzahlmesser zusätzlich digital eingeblendete Geschwindigkeit – zeigt, wie schnell man wirklich fährt.
Und wenn man nicht rennmäßig unterwegs sein möchte? Der Fahrkomfort reicht durchaus zum entspannten Reisen, und vor allem der elastische Motor zeigt sich alltagstauglich. Bereits ab 1000 Touren steht Schub zur Verfügung, womit man auch in der Stadt gelegentlich den sechsten Gang einspannen kann. Das dumpfe Geräusch bleibt dann in ebenso erfreulichem Rahmen wie der Verbrauch – allerdings an teurem Super Plus.
Abstriche gegenüber dem 911 muss man beim Platzangebot machen. Der Cayman ist wie der Boxster ein reiner Zweisitzer, bereits eine Aktentasche muss zum Verstauen in einen der beiden (kompakten) Kofferräume. Die üppigere Serien-Ausstattung des 911er (Bi-Xenon, vollelektronische Klimaautomatik, Bildschirm-Infosystem) kann man notfalls nachrüsten. Nicht zu vergessen den optionalen Tempomat: Der könnte bei so viel Power & Agilität vor manchem Strafmandat schützen.

TECHNIK
B6, 24V, 3386 ccm, 217 kW (295 PS) bei 6250/min, max. Drehmoment 340 Nm bei 4400/min, Sechsgang-Getriebe, Hinterradantrieb, vorne und hinten: Längs- und Querlenker, Federbeine, Stabilisator, Scheibenbremsen v/h (bel.), ABS, L/B/H 4341/1801/1305 mm, Radstand 2415 mm, 2 Sitze, Wendekreis 11,1 m, Servo, Reifendimension 235/40 R 18 (v), 265/40 R 18 (h), Tankinhalt 64 l, Reichweite (bis Tankreserve) 500 km, Kofferraumvolumen 150 l (v), 260 l (h), Leergewicht 1340 kg, zul. Gesamtgewicht 1630 kg, 0-100 km/h 5,4 sec, 60-100 km/h (im 4./5. Gang) 6,1/7,0 sec, Spitze 275 km/h, Steuer (jährl.) EUR 1273,80, Normverbrauch (Stadt/außerorts/Mix) 15,3/7,8/10,6 l, Testverbrauch 11,5 l ROZ 98
Preis: EUR 70.600,-

Serienausstattung: Front-, Seiten- und Kopfairbags, ABS, Stabilitätskontrolle, Klimaautomatik, CD-Radio, beh. E-Außenspiegel, E-Fensterheber, Lederlenkrad, Alarmanlage, Nebelscheinwerfer, FB-Zentralsperre etc.
Extras: Fünfgang-Automatik EUR 3700,-, vollelektronische Klimaautomatik EUR 546,-, adaptive Sportsitze EUR 4669,-, Bi-Xenon EUR 1248,-, Bose-Surround-System EUR 1521,-, CD-Wechsler EUR 617,-, Multifunktions-Lenkrad ab EUR 835,-, Einparkhilfe EUR 575,-, Heckscheibenwischer EUR 407,-, Holz- oder Carbon-Dekor EUR 869,-, Lederpolsterung ab EUR 3323,-, Tempomat EUR 519,-, Innen- und Außenspiegel aut. abblendend EUR 624,-, Sport-Chrono-Paket EUR 897,-, Navigation EUR 3421,-, 19-Zoll-Räder ab EUR 1802,-, elektron. Dämpfer-Regelung (PASM) EUR 1823,-, Keramik-Bremsen EUR 9464,-, Reifendruck-Kontrolle EUR 758,-, Sitzheizung EUR 476,-, E-Sitze EUR 1780,-, Metallic-Lack ab EUR 960,- etc.

FAHREN & FÜHLEN
Der Sechszylinder-Boxer legt ab Leerlauf bullig los, dreht willig hoch und beißt zwischen 4500 und 6500 Touren noch einmal giftig zu. Das Sound-Spektrum reicht dabei von sportlich-dumpf bis hell kreischend, wirkt dank guter akustischer Abschottung aber nie aufdringlich. Souveräne Fahrleistungen. Die ausreichend exakte Schaltung erlaubt blitzschnelle Gangwechsel, erfordert aber kräftiges Zupacken. Lenkung direkt und extrem präzise, ohne dabei jedoch nervös zu wirken. Fahrkomfort im Normalmodus des aufpreispflichtigen PASM-Fahrwerks durchaus langstrecken-tauglich, in Stellung Sport” hart. Extrem gute Bodenhaftung, Eigenlenkverhalten lange neutral, eventuelles Übersteuern bremst das (deaktivierbare) Stabilitätsprogramm rechtzeitig ein. Enorm wirkungsvolle und standfeste Bremsen. Großzügig dimensionierte, tief montierte Sportsitze mit viel Seitenhalt und einfacher Verstellung.

PLATZ & NUTZ
Normal Gewachsene finden ausreichend Platz, nur für Sitzriesen können Kopf- und Beinfreiheit eventuell knapp werden. Tiefer, passabel nutzbarer 150-Liter-Kofferraum unter der vorderen Haube, das nominell 260 Liter fassende Abteil unter der großen Heckklappe ist hingegen sehr flach. Einige (verschließbare) Ablagen im Cockpit, zusätzlich zwei geräumige, doch nur umständlich erreichbare Fächer hinter den Sitzen. Praktisch für Jacken und dergleichen: das große Gepäcknetz oberhalb der Motorabdeckung. Karosserie-Übersicht vor allem nach schräg hinten schlecht, dafür annehmbarer Wendekreis. Bedienung einfach und logisch, mittig liegender Drehzahlmesser mit digitaler Geschwindigkeits-Anzeige gut, daneben liegende Tacho-Skala schlecht ablesbar. Griffiges Dreispeichen-Lederlenkrad. Störend bei Nachtfahrten: in der Scheibe spiegelnde Uhr des optionalen Sport-Chrono-Pakets.

Sportlich-gediegenes Cayman-Cockpit, Navigation, Leder und die Stoppuhr des Sport-Chrono-Pakets kosten allerdings Aufpreis

DRAN & DRIN
Die Serienausstattung enthält zwar Klimaautomatik, CD-Radio, E-Fensterheber und E-Außenspiegel, sie ist angesichts des Preises aber dennoch bescheiden. Umso reichlicher die Aufpreisliste: Neben Selbstverständlichkeiten wie automatisch abblendenden Spiegeln, Leder, Bi-Xenon, Tempomat & Einparkhilfe findet man dort auch Sport-Schmankerln von adaptiven Zwölf-Wege-Sitzen über elektronische Dämpfer-Regelung und das Sport-Chrono-Paket bis hin zu fast 10.000 Euro teuren Keramik-Bremsen (Details siehe Liste Seite 41). Verarbeitung sauber und solide, die optionale Lederausstattung des Testwagens sowie die dicken Stoffteppiche wirken durchwegs edel und hochwertig.

SICHER & GRÜN
Serienmäßig: Front-, Seiten- und Kopfairbags, ABS und Stabilitätskontrolle – Bremsassistent gibt´s bei Porsche grundsätzlich keinen. Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer, integrierte Kopfstützen (reichen bis 1,90 Meter Körpergröße). Motor erfüllt Abgasnorm Euro IV, Verbrauch angesichts der Fahrleistungen recht günstig.

PREIS & WERT
Gut 20.000 Euro billiger sind trotz Allradantrieb der neue Alfa Brera 3,2 (260 PS) sowie Audis TT 3,2 (250 PS), gar 30.000 Euro weniger muss man für den Nissan 350 Z (280 PS) auslegen. Die 404 PS starke Corvette kostet knapp 10.000 Euro mehr als der Cayman S, der billigste 911er (325 PS) ist sogar 24.000 teurer. Werthaltung vermutlich sehr gut. Zwei Jahre Fahrzeug- und Mobilitätsgarantie, zehn Jahre gegen Durchrosten. Wartungs-Intervall 30.000 Kilometer, sehr dünnes Werkstatt-Netz.

ALLES-AUTO-TESTURTEIL :
Ein Porsche für alle, denen Agilität wichtiger ist als die magische Zahl 911 am Heck.


Fotos: Len Vincent

Diesen Test finden Sie in ALLES AUTO 1-2/2006