Der BMW M760Li beweist: Von wegen der V12 ist tot. Abseits der noblen Supersport-Adressen Ferrari, Lamborghini und Aston Martin sowie Bentley & Rolls-Royce aus der Luxus-Abteilung bauen die groÂßen Drei aus Deutschland nach wie vor feine Zwölfzylinder. Gekauft werden die zwar immer seltener am Heim-Kontinent, doch Länder und Regionen, in denen Protz keine Schande ist, lechzen nach wie vor nach großen ÂLimousinen mit einem satten Dutzend Brennräume.
Jetzt liefert auch BMW wieder einen V12 für sein Firmen-Flaggschiff – den BMW M760Li. Diese Tradition sollte man auch hochhalten, schließlich waren es die Münchner, die vor genau 30 Jahren beim damaligen 7er (Baureihe E32) den ersten deutschen NachÂkriegs-ZwölfÂzylinder auf den Markt gebracht hatten – fünf Liter groß, 299 PS stark und auch mit „kurzem“ Radstand zu haben. BMW, Audi und Mercedes verbauen ihre Spitzen-Triebwerke mittlerweile nur noch mit Allradantrieb – bis auf Audi sind die Zwölfender auch stets aufgeÂladen und bis auf Mercedes zudem nur in den LangÂversionen zu haben. Im Falle unseres bayrischen Probanden entsteht so eine sperrig-uneleÂgante TypenÂbeÂzeichnung – M760Li xDrive klingt nicht gerade sexy. Doch schon der erste BuchÂstabe suggeÂriert, wohin die Reise geht: M wie Mmmmmh!
Die Motorsport-Abteilung des Hauses hat also ihren ersten ÂV12 für die Serie ausgeÂspuckt, 6,6 Liter, 610 PS und 800 Nm markieren in der Firmenhistorie einen neuen Zenit, trotz 2,2 Tonnen Leergewicht tun das auch die Fahrleistungen: 0 auf 100 in 3,7 Sekunden und Spitze 305 km/h (ex aequo mit M5 & M6) – zumindest sofern man das optionale „M Driver’s Package“ geÂordert hat. Das beinhaltet neben der Vmax-AnheÂbung ein für diese Belange eher sinnloses Fahrertraining mit Eigenanreise und kostet exakt 3253 EuÂro, was an sich schon ein bisserl eine FrechÂheit ist. Dass man es aber nur in KombiÂnation mit dem PanoramaÂdach um weitere 2736 Euro bekommt, ist besÂtenfalls unbeÂgreiflich. Der Einwand, dass MenÂschen, die sich ein Auto um über 200.000 Euro leisÂten könÂnen, über solche Beträge locker hinwegsehen, stimmt nur bei oberflächÂlicher BeÂtrachÂtung. Denn in der Regel sind die Käufer erfolgreiche GeÂschäftsleute, tagtägÂlich auf der Suche nach GewinnÂoptiÂmieÂrung, ProduktiÂvitätsÂsteiÂgerung und besseren Einkaufskonditionen. Und genau solche Zeitgenossen wollen eines nicht: über den Tisch gezogen werden.
Von Luxus-Problemen, mit denen wir uns im echten Leben Âohnehin nicht auseinanÂdersetzen müssen, zum praktischen Fahr-Erlebnis BMW M760Li xDrive. Die AusgangsÂfrage lautet: Kann ein Auto mit 3,2 Meter Radstand Spaß machen? Also links vorne sitzend. Yes, it can. Dank Allradlenkung und aktivem Fahrwerk agiert die 5,2 Meter lange Limousine überraschend agil, dazu spielt’s bruÂtale Kraftentfaltung vom Stand weg, perfekt portioniert von der feinen Achtgang-Automatik und klug verteilt auf vier Räder. Ein Chauffeur-Auto zum Selberfahren. Und im Normal-Modus auch wunderÂbar komfortabel sowie leise. Das per Knopfdruck aktivierte Sport-ProÂgramm schärft Lenkung und Fahrwerk Richtung Straffheit und macht auch den AusÂpuff-Sound rotziger – wenn auch nicht ganz so böse ballernd wie bei den Kollegen von AMG. Doch davon hat ob toller Innenraum-Dämmung ohnehin nur die ÂGalerie was. ÂAußer man fährt mit offenem Fenster, was bei einem ÂSiebener immer ein bisÂserl peinlich ausÂsieht.
Zum Schluss noch ein Blick aufs liebe Geld: Mit 218.500 Euro markiert der M760Li xDrive auch preislich einen neuen Zenit bei BMW. Die Mehrkosten von 80.800 Euro gegenüber dem bisherigen Benziner-Topmodell, dem 750er mit V8-Benziner, wirken nur auf den ersten Blick happig. Zum einen versandet nämlich ein Gutteil der DiffeÂrenz im Staatssackerl, Stichwort NoVA-Höchststrafe 32 Prozent. Dann ist der V12 natürlich teurer in der Produktion. Und in Sachen Ausstattung hat das Topmodell eine Menge Features aufpreisfrei, etwa 20 Zoll-Räder, klimatisierte KomÂfortsitze mit Massage-Funktion vorne wie hinten, Nappa-Volllederpolsterung, ÂAlÂcanÂtara-DachÂhimÂmel, HiFi-Sound, Allradlenkung, das erwähnte aktive KomfortÂfahrÂwerk oder LaserÂlicht. Wem der Auftritt des falschen M7 zu sportlich ist, der beÂkommt ums gleiche Geld übriÂgens die noblere „Excellence“-Ausführung, ohne das AerodynaÂmikpaket und den Klappen-Auspuff, dafür mit mehr Chrom außen sowie einem holz-intarsierÂten LenkÂrad innen – und einem Tacho, der nicht bis 330 geht, sondern nur bis 260. Wie armÂselig.
Daten & Fakten
V12, 48V, Bi-Turbo, 6592 ccm, 610 PS (448 kW) bei 5500/min, max. DrehÂmoÂment 800 Nm bei 1550–5000/min, Achtgang-Automatik, AllÂradantrieb, ScheibenÂbremÂsen v/h (bel.), L/B/H 5238/1902/1479 mm, Radstand 3210 mm, 5 (4) Sitze, ReifenÂdiÂmenÂsion 245/40 R 20 (v), 275/35 R 20 (h), Tankinhalt 78 l, KoffÂerraumÂvoÂlumen 515 l, WendeÂkreis 12,9 m, Leergewicht 2180 kg, 0–100 km/h 3,7 sec, Spitze 305* km/h, NormÂverbrauch (Stadt/außerorts/Mix) 18,4/9,6/12,8 l Diesel, CO2 294 g/km
Preis: € 219.920,–
*bei optionalem M Driver’s Package (ansonsten 250)