In Deutschland herrschte viele Monate lang Rechtsunsicherheit bezüglich Diesel-Fahrverboten. In den Städten – vor allem in solchen mit grüner Regierungsbeteiligung – wurden Fahrverbote für belastete Straßenzüge vehement gefordert, die Bundes- und Landespolitik wehrte sich ebenso vehement dagegen. Ende Februar sprach dann der Bundesverwaltungsgerichtshof als zuständige Höchstinstanz den Städten das Recht zu, über Diesel-Fahrverbote selbst entscheiden zu dürfen – vorerst über jene bis zur Abgasklasse Euro 4, ab September 2019 auch über Euro 5- Fahrzeuge.
Städte wie Hamburg, Stuttgart oder München wollen nun so schnell wie möglich Fahrverbote für einzelne Straßenzüge verhängen. Die Folge: Unter Deutschlands Dieselfahrern breitet sich zusehends Unsicherheit aus. Selbstzünder-Neuwagenkäufe sanken schon von 2016 auf 2017 um fünf Prozent, der Gebrauchtwagenmarkt geht über vor immer günstigeren Angeboten, vor allem jenen der noch recht modernen Abgasklasse Euro 5. Wenn der größte Automarkt Europas Unsicherheit zeigt, wirkt sich das auf den kleinen Nachbarn Österreich aus, und so gingen bei uns die Diesel-Neuzulassungen sogar um sieben Prozent zurück, allerdings ausgehend von einem deutlich höheren Niveau.
Josef Schirak, Sprecher des Fahrzeug-Einzelhandels in der Wirtschaftskammer, sieht eine Welle an Gebrauchtfahrzeugen aus Deutschland herüberschwappen:
„Ab sofort ist mit stark steigenden Gebrauchtwagen-Importen im Segment der Euro 5-Dieselfahrzeuge aus Deutschland zu rechnen. Und Sonderangebote aus unserem Nachbarland werden das Gebrauchtwagen-Preisniveau in Österreich negativ beeinflussen.“
Schirak gesteht jedoch der österreichischen Regierung „Bemühen um Schadensbegrenzung“ zu, „indem Fahrverbote in österreichischen Städten und Ballungszentren auch in naher Zukunft kein Thema sein sollten.“
In Österreich ist der gesetzliche Rahmen zur Einhaltung der von der EU vorgegebenen Stickoxid-Grenzwerte das „Immissionsgesetz Luft“, ein Bundesgesetz, das die Kompetenzen zur Einrichtung von Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Fahrverboten an die Länder weiterreicht, im Gegensatz zu Deutschland aber nicht an Gemeinden oder Städte.
Bernhard Wiesinger, Chef der Interessensvertretung und Kommunikation des ÖAMTC, sieht daher ebenfalls keine Gefahr:
„Zwar kursieren Gerüchte, dass die Steiermark Diesel-Fahrverbote in Graz gestatten könnte, wenn der Stadtrat solche beschließen sollte, doch Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) ist dagegen. Außerdem gab es bereits im Jahr 2012 eine Bürgerbefragung zu Umweltzonen, die von 70 Prozent der Grazer abgelehnt wurden.“
Als einzige Stadt Österreichs könnte das Bundesland Wien selbstständig Fahrverbote anordnen, aber Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) erteilte solchen Vorhaben jüngst eine Absage, weil Feinstaub- und Stickoxid-Werte langfristig nach unten zeigen würden. Das weist auch die Grafik des Umweltbundesamtes (siehe unten) aus, nach der die NOx-Werte in ganz Österreich von 1990 bis 2015 um 35 Prozent gesunken seien. Über den europäischen Grenzwerten liegen sie allerdings noch immer.
Österreichs verkehrsbedingte NOx-Emissionen sanken laut Umweltbundesamt seit 1990 um 35 Prozent. Zwar liegen sie über den ab 2010 fixierten EU-Grenzwerten, doch der Trend ist positiv.
Doch diese sind laut Wiesinger hinterfragenswert:
„Die USA gestatten auf der Straße 100 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft – Ausnahme Kalifornien mit 56 –, in der EU sind es bloß 40 Mikrogramm. An europäischen Arbeitsplätzen sind hingegen bis zu 30 Mal höhere Werte gestattet.“ Wie das? Wiesinger: „Die Werte für den Arbeitsplatz kommen aus der Arbeitsmedizin. Es wurde klinisch getestet, ab wann NOx-Belastungen gesundheitsschädlich sind, danach wurde ein Bruchteil davon als Grenzwert bestimmt. Die Straßen-Höchstwerte sind dagegen epidemologischer Natur. Ein statistischer Wert, der festgelegt wurde, weil Menschen in Gegenden mit höheren Belastungen laut Statistik früher sterben.“
Doch genau darin liege die Krux, die auch zu Schlagzeilen wie „Diesel-Fahrzeuge kosten Menschenleben“ geführt habe. Zum einen sage die Statistik nicht, um wie viel früher die Menschen sterben würden, zum anderen seien Stickoxide auf der Straße statistisch nicht gesondert betrachtbar, weil Menschen allen möglichen Schadstoffen ausgesetzt seien. „Würde man statistisch die Auswirkungen von Schokolade auf die Sterblichkeit auswerten, käme dabei wohl Ähnliches heraus“, so Bernhard Wiesinger. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm für die maximale Stickoxid-Belastung sei daher willkürlich und ohne echten wissenschaftlichen Rückhalt.
Laut dem ÖAMTC-Experten habe die US-Umweltschutzbehörde EPA 300 Studien zwischen 2014 und 2017 ausgewertet, keine habe den Grad der Schädlichkeit von NOx nachweisen können, daher sei man beim bisherigen Wert von 100 Mikrogramm geblieben. Und ein Untersuchungsausschuss im deutschen Bundestag sei zum Schluss gekommen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Stickstoffdioxid und erhöhter Sterblichkeit gebe. Somit gilt: Panik ist für österreichische Dieselfahrer keine angesagt, weder bezüglich Fahrverboten noch hinsichtlich eines „mörderischen Potenzials“ ihrer Fahrzeuge.
Oliver Zoffi
( 17. Mai 2018 )
Die Dieselfahrer haben keine Panik wegen eines eventuellen “mörderischen Potentioals” …
Es sind alle Anderen – insbesondere die Medien die derartiges schüren!
Der Schwedenkönig
( 20. Mai 2018 )
Ich glaube schon, daß es Autofahrerinnen gibt, die sich der schädlichen Auswirkungen ihres Tuns bewusst sind.
Oliver Zoffi
( 21. Mai 2018 )
Die nennt man Grüne … Predigen Wasser und trinken Wein …
Weuzi
( 22. Mai 2018 )
Danke für die sachliche Berichterstattung. Leider – oder Gott sei Dank – findet man solche Artikel nur – oder wenigstens – bei Alles Auto. Den anderen “Fachzeitschriften” – von den Tages- und Wochenzeitungen ganz zu schweigen – “entgehen” solche Fakten.
Lieber Schwedenkönig: jedes Tun auf Erden ist so gesehen “schädlich” – die vermehrten menschlichen Blähungen bei anstrengender Fahrradfahrt genauso wie das Feinstaub-erzeugende Verheizen von “gesunden” Holz oder Pellets und, und, und. Aber glücklicherweise kommt es auf die Dosis an und die ist schon bei den jetzigen europäischen Gesetzen niedrig genug, um uns komfortabel ein Überleben zu sichern. In Peking oder Städten in anderen Schwellenländern sieht das anders aus und auch in vielen europäischen Hafenstädten, die von stinkenden Kreuzfahrtschiffen und Riesencontainertransportern zuhauf angefahren werden. Aber das stört die lieben Europa-Politiker nicht, denn der freie Warenverkehr und das Urlaubsvergnügen (?) des gemeinen Wahlvolks muss gewahrt bleiben.
Auch die endlosen LKW-Kolonnen, die 3-spurige Autobahnen praktisch wieder zu 2-spurigen machen, weil unfähige Staatsbahnen keinen vernünftiges Transportangebot zustande bringen, sind nicht Teil des Kreuzzugs für gute Luft der Politiker. Den Spenden der Frächter- und LKW-Lobby sei dank, dass man in Brüssel meint, diese stoßen reinen Sauerstoff aus.
Was bleibt sind “die Autofahrer”, die kriegen den schwarzen Peter, weil sie – nicht organisiert – sich nicht wehren können. “Vertreten” durch politische Autofahrerclubs, die ein Versicherungs- und Reisebüro mit begleitender Pannenhilfe sind und einem zahnlosen Verband der Automobilimporteure. Was rauskommt sehen, hören und lesen wir täglich mit Ausnahme von Alles Auto.
Daher nochmals Danke!
Mozl
( 26. Mai 2018 )
In Österreich wird es kein Diesel-Fahrverbot geben, weil die Überschreitungen der Grenzwerte nicht so dramatisch und auch nicht so häufig wie etwa in .de sind. Einen sehr zweifelhaften Eindruck erweckt bei diesem Thema der ÖAMTC. Herr Wiesinger ist zwar ein sympathischer Mensch, bei seiner Funktion als Leiter der Interessensvertretung weiß man aber gelegentlich nicht, ob er die der Autofahrer meint oder die der Autoindustrie. So hat der ÖAMTC etwa noch im April des Vorjahres, als bereits die ersten Fälle von manipulierten Euro 6-Diesel bekannt wurden, eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für solche Fahrzeuge abgegeben. Auch der Hinweis auf die strengen Grenzwerte im Vergleich zu den USA ist nur etwas für die Stammtische. Sie wurden von der EU, auch mit der Stimme von Österreich, beschlossen und von Österreich gesetzlich fixiert, wobei wir dabei noch strengen sind. In Österreich gelten nämlich 30 Mikrogramm mit einer Toleranzgrenze von 35 Mikrogramm. Nachdem das gesetzlich festgelegt wurde kann man gegen einer Überschreitung dieser Grenzwerte klagen und die Politik muss dann Maßnahmen setzen um dieser Überschreitungen einzudämmen. Wie hoch die Grenzwerte in den USA, in Tschibuti und in Burundi sind interessiert ein Gericht nicht.