Glavitzas Gschichtln – A Gscherda, den kana kennt

12. Juni 2021
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Es muss so um Mitte der Sechziger gewesen sein, als ­einer der wichtigsten Sportschreiber des Landes, Helmut Zwickl (im Bild von 1965 rechts neben dem Autor) vom „Kurier“, damals die größte Tageszeitung des Landes, ins Pressehaus zur „Kronen Zeitung“ Dichand-Falks wechselte. Dank seines entspannten Gemüts kommuni­zierte Helmut mit dem Kurier-Motorchef Hans Patleich auch nach seinem Wechsel zur Konkurrenz noch auf durchaus freundschaftlicher Ebene. Damals buhlte die gesamte ­Wiener Automobil-Society um den frei gewordenen Platz eines Motorsport-Schreibers im „Kurier“.

Der schwergewichtige Patleich wich diesen Anbieder­ungen stets geschickt aus. Während einer Ford-Pressekon­ferenz im noblen Hotel „Intercontinental“ wandte er sich in seiner Verzweiflung an seinen ehemaligen Mitarbeiter Zwickl: »Waßt niemand fürn Motorsport bei mir?« Helmut und ich kannten einander seit den ersten Innsbrucker Flugplatz­rennen, und er wusste von meinem bis zur Selbstvernichtung reichenden Enthusiasmus fürs Gasgeben, legte wie üblich sein Haupt in Schräglage und antwortete knapp: »Nimm den Glavitza.«

Für den damals in der Branche nahezu weltberühmten ­Patleich war ich nicht einmal ein unbeschriebenes Blatt, ­darum seine ebenso knappe Antwort: »Wer soi des sei?« Zwickl, noch in Schräglage: »A G’scherda, den kana kennt.« Patleich legte die Hände auf seinen nahezu zwei­einhalb ­Meter messenden Bauchumfang: »Des passt. Sog eam, er soi mi anruaf’n.« Und meine glorreichen Jahre als Kurier-­Motorsportjournalist waren gebongt.

Zwickl und ich blieben gute Freunde. Da gab es eine abenteuerliche Fahrt zum Bergrennen Trento Bondone und ­eine laute Nacht mit dem damals berühmten Fotografen ­Julius Weitmann, der uns nach drei (oder waren es vier?) ­Flaschen Rotwein eine einführende Vorlesung über die deutsche Motorsportgeschichte gehalten hatte. Er holte bei den SS-Mitgliedschaften der damaligen Rennfahrer bei Auto ­Union aus und spannte den Bogen bis zum Porsche-Renn­leiter Fritz Huschke von Hanstein, der nie ein „von“ gewesen sein soll – selbiger schlief einen Stock über uns, und ich fürchtete schon, von dessen Bannstrahl vernichtet zu werden.

Besonders lustig war’s dann beim Grand Prix von Monaco 1965, Jochen Rindts erstes Formel 1-Jahr. Wir teilten zu viert ein Zelt. Zu viert? Helmut war mit seinem Leibfotografen Alois „Loisl“ Rottensteiner dort, und ich mit einem Mädel. Zwickl und ­Rottensteiner waren von Goodyear zu einem Presse-Dinner ­eingeladen – meine Freundin und ich hatten das Zelt für uns allein. Als die beiden wohlgenährt gegen Mitternacht ­zurückkamen, erklärte ich meiner Holden noch immer, was „stei­rische Amore“ bedeutete.

Eine Weile ließen uns die beiden in Ruhe balzen, bis es ­ihnen zu kalt und vor allem zu blöd wurde. Ich höre noch, als wäre es gestern, die stramme Stimme Helmuts: »Heast es zwa – a Ruah is jetzt, mia woin schlof’n.« Die Ruhe währte ­jedoch nicht lange: Knapp nach Sonnenaufgang wurden wir vom wilden Kreischen eines Climax-V8 geweckt! Auf der nah am Zelt vorbeiführenden Bundesstraße jagte Jo Siffert seinen Lotus-24 zwecks Vergaser-Einstellung auf und ab. Es wurde ein anstrengendes Wochenende.

Foto: Kumpa