Gunther Philipp Ferrari

Glavitzas Gschichtln – Roaring Sixties: Das waren Zeiten!

9. März 2020
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Der österreichische Autorennsport befand sich während der sechziger Jahre noch in der Kreidezeit. Die Menschen hatten für derlei Dinge weder Zeit noch Geld. Nur wenige Hochwohlgeborene waren ausreichend am Konto bestückt, um es bei Rennen locker rauszuschmeißen. Helmut Zwickl schrieb: „Reiche Müßiggänger gaben einander beim ÖASC die Klinke in die Hand“. Der ÖASC war der „Österreichische Automobilsport Club“, an dessen Spitze der stets Zigarren schmauchende Willy Löwinger präsidierte.

Da war der Wiener Volksschauspieler, Arzt und Ohrenwackler Gunther Philipp (Bild oben), der sich gleich zwei Ferrari leisten konnte. Da er in der GT-Klasse allein auf weiter Flur war, kaufte er sich einen zweiten Ferrari – man konnte ihm ja schwer eine Renault Dauphine als Gegner hinstellen. Damit ihm nicht fad war, lieferte Maranello einen GTO – das schönste Auto, das je gebaut wur­de. Die 250 Berlinetta hatte er dagegen vom britischen Rennstallbe­sitzer Rob Walker (Whisky-Dynastie) gekauft. Das Auto war von Stirling Moss und Innes Ireland bei der Goodwood Tourist Trophy zum Sieg gefahren worden. In diesen Wagen setzte er seinen Wiener Spezi Ulli Oberhammer, der bei Todesstrafe langsamer sein musste als sein Herr und Meister: Und Gunther Philipp wurde österreichischer Staatsmeister – denn schließlich war man zu zweit! Es war ein Meistertitel, erkauft um runde drei bis fünf Millionen Schilling – und das in den Sechzigern! Umgelegt auf heute: Airbus samt Crew.

Dann gab es da noch den lustigen Lotus-Importeur Rolf Markl. Dem war auch ständig fad. Nebenbei fuhr er zum Spaß Formel Junior-Rennen mit überschaubarem Erfolg. Immerhin sollte Jahre später der Garten seiner Villa in Wien-Hietzing vor den Rennen in Tulln-Langenlebarn für eine internationale Rennparty herhalten. Graham Hill, Robin Widdows, Frank Gardner, Alan Rees, Jochen Rindt, Jackie Stewart und Jim Clark, mit Markls Dackel spielend, wurden von seiner charmanten Gattin Renate reichlich mit Champagner und Brötchen von Trzesniewski, Wiens erster Sandwich-Adresse, versorgt. Des Nachts schleppte ich die britische Partie ins „San Remo“, damals eine der heißesten Discos in Wien. Einmal waren die Burschen ganz still – als Charly Ratzer mit seiner Gitarre auf die Büh­ne stolperte und wie Jimmy Hendrix rockige Blues-Chords runterrotzte.

Die Auto-Rennsociety vergnügte sich damals mehrheitlich bei Berg­rennen in der Provinz. Wenn die Truppe lärmend über die Lande einfiel, sank das Landvolk vor Ehrfurcht auf die Knie. Man muss sich biedere Kerle vorstellen, wenn sie nach durchzechter Kirtagsnacht mit aufge­dun­senen Gesichtern und rot unterlaufenen Augen über frisch gepflügte Felder zum Platschbergrennen stolperten und dort ihren geliebten Gunther Philipp leibhaftig vor sich sahen – eine Marienerscheinung in Mariazell war nichts dagegen. Ich erinnere mich noch genau an Gunther Philipp, von Trachten­junkern umringt, Autogramme kritzelnd, Ohren wackelnd, wie er im Wie­ner Burgtheater-Deutsch sagte: „So, Leutln, heut’ Abend geht’s alle brav ins Kino – und zwar auf die teuren Sitz’.“

Eine Geschichte machte damals die Runde: Beim Tiroler Bergrennen auf das Timmelsjoch blieb Ulli Oberhammer in Philipps Reserve-Ferrari (Berlinetta 250 GT) zweihundert Meter vor dem Ziel stehen, stieg aus dem Auto, streifte die ledernen Les Leston-Rennhandschuhe ab, öffnete die Mo­torhaube, wackelte an den Zündkabeln, schüttelte den Kopf, zog die Handschuhe wieder an, setzte sich in den Ferrari – Schultergurte gab’s keine –, startete den Motor und fuhr über die Ziellinie, ein paar Zehntel langsamer als sein Chef im Ferrari GTO, dem damals schnellsten Gran Turismo-Wagen der Welt.

Foto: Technisches Museum Wien