Nicht alles, was Anekdote heißt und (manchmal) sogar Eingang in die Geschichtsbücher findet, ist auch wahr. In der Autoszene ist es nicht anders – so manche Legende erweist sich als falsch. Nicht vorsätzlich gefaked, eher missverständlich interpretiert. Und schon ist die Geschichte Tatsache, nicht mehr wegzudenken aus den Köpfen der jeweiligen Interessensgemeinde.
Dass der Porsche 911 eigentlich als 901 auf den Markt kommen sollte und nur wegen eines Einspruchs von Peugeot in 911 umbenannt wurde – wahr oder nicht? Dem deutschen Journalisten Wolfgang Blaube kamen nach Recherchen Zweifel, ob dem tatsächlich so war.
Zunächst: Im Porsche-Archiv vom Oktober 1964 findet sich angeblich eine diesbezügliche Hausmitteilung. Aber, so Blaube, wäre der Einspruch, wonach eine Null in der Mitte einer Modellbezeichnung von Peugeot markenrechtlich geschützt sei, unsinnig gewesen, weil andere Fabrikate sehr wohl mittige Nullen verwendeten: BMW 501, Bristol 406, Ferrari Dino 206 und so weiter. Dagegen hatten die Franzosen keinen Einspruch erhoben. Auch einen generellen Schutz Peugeots auf alle dreistelligen Modell-Zahlen mit einer Null in der Mitte habe es nie gegeben, fand Blaube heraus. Das Gerücht, dass die Stuttgarter Autopäpste den 911er ursprünglich 901 nennen wollten und nur wegen einer möglichen Klage Peugeots zurückgezogen hätten, hält sich in Porsche-Kreisen freilich bis heute.
Ein hartnäckiges Gerücht ist auch jenes, dass der VW Jetta (siehe Bild), ein Golf mit Stufenheck, zunächst „Hummel“ hätte heißen sollen – keine Rede davon, auch wenn Fachmagazine anno 1979 die Geschichte so publizierten und die Legende von der VW-Hummel heute noch kursiert. Tatsächlich bemühte VW, seiner Zeit voraus, schon damals Marketing-Experten für die Namensgebung. Und aus allen Vorschlägen (Wolf, Monsun, Cricket, Jetta, Korsar etc.) machte der Jetta (die Österreicher sagten „Dschetta“, die Deutschen „Ietta“) das Rennen. Die Hummel war nie auf der Vorschlagsliste gestanden, sie war nur die werksinterne Bezeichnung für den Jetta wegen seines übergroßen Popos.
Keine Zeitungsente hingegen war der von Rolls-Royce für den Silver-Cloud-Nachfolger vorgesehene Name „Mist“ (englisch für „Nebel“). Den überheblichen britischen Rolls-Managern, die offenbar kein Wort Deutsch verstanden, war nicht aufgefallen, dass „Mist“ in deutschsprachigen Ländern gar nicht gut klingt – vornehmlich für ein sündteures Fabrikat wie den Silver Cloud-Erben eine Katastrophe. Erst wenige Wochen vor der Weltpremiere im Oktober 1965, angeblich hatte ein subalterner Mitarbeiter auf die Peinlichkeit aufmerksam gemacht, wurde der Name hektisch auf „Silver Shadow“ geändert. Aus dem Mist wurde ein Schatten – und alles war gut für Rolls-Royce.
Wendelin Narrowetz
Foto: VW