Studien-Berechtigung

16. Mai 2019
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Alles Klartext

Es war ein wenig wie bei der Hofstädter-Werbung: Da hat sich wieder einer was erlaubt! Nämlich etwas gegen Elektroautos zu sagen. Das Münchener Institut IFO kam in einer Studie zum Ergebnis, das die E-Mobilität eventuell doch nicht so ökologisch ist, wenn man einmal nachrechnet. Die Empörung war natürlich gewaltig. Falsche Zahlen und ungünstige Annahmen hätten das Ergebnis verursacht, wogegen in der Realität das Elektroauto natürlich der strahlende Sieger des Vergleichs mit einem modernen Diesel wäre. Auch das endgültige Totschlag-Argument kam umgehend: Die ganze Studie liefere vermutlich nur ein Wunsch-Ergebnis für die Industrie – die gerade wie versessen in die E-Mobilität investiert? Logik ist in so einer Diskussion eben keine gültige Währung.

Bewaffnen wir uns also mit Fakten. Was das an sich untadelige Institut tatsächlich nicht berücksichtigt hat, ist der Service-Vorteil der Elektroautos. Bei den heute üblichen Inter­vallen würden für einen herkömmlichen Pkw im Berechnungszeitraum von zehn Jahren oder 150.000 Kilometern maximal drei bis vier Checks anfallen – nicht wirklich ein be­deutender Umweltfaktor. Selbst wenn man dem E-Auto dafür einen zehnpro­zentigen Bonus zuschlägt, schönt es das Ergebnis kaum. Die Spanne war zudem fair gewählt: Das Nachlassen der Akku-Kapazitäten ab 150.000 Kilometern würde ebenso einen Tausch rechtfertigen, wie ein ausgelutschter Motor revidiert werden müsste.

Dazu das leidige Thema Strom-Herkunft: Wer sein E-Mobil mit Ökostrom betankt, ver­hält sich natürlich vorbildlich. Wer nicht, schwimmt einfach im Strommix seines Landes mit. In Österreich beträgt der Öko-Anteil bis zu 80 Prozent, in Deutschland ist er halb so hoch. In Frankreich fließt hauptsächlich Atomstrom, also ein Problem, das höflich an die nächste Generation weitergereicht wird. Fairerweise müsste aber jedes Land seine eigene E-Auto-Bilanz errechnen.

Kritisiert wurde auch, man hätte in der Studie den zweiten (und dritten?) Lebenszyklus der Akkus nicht eingerechnet. Der existiert derzeit aber ausschließlich auf dem Papier – Second-Hand-Batterien aus ausrangierten E-Autos werden zwar seit Jahren angek­ün­digt, bis heute aber so gut wie nicht angeboten. Ob sich das künftig ändern wird, ist nicht absehbar und hat daher auch in einer seriösen Berechnung nichts verloren.

Die Emissionen der Akku-Produktion lassen sich hingegen tatsächlich nur schätzen – die Herstellerangaben dazu sind betont verschwurbelt und wenig aufschlussreich. Was den Verdacht nahe legt, dass sie in der Realiät eventuell noch übler sind als die ange­nommenen Werte. Die schon öfters verlangte Erhebung der exakten Zahlen durch die EU-Kommission findet bis dato nicht statt. Schon deswegen mutet es seltsam an, dass die Politik auf nationaler und EU-Ebene gar so eifrig die Elektromobilität fordert und fördert – ohne die tatsächlichen Zahlen und Konsequenzen zu kennen.

Salomonisch fällt die Stellungnahme das deutschen Umweltbundesamtes dazu aus: „Elektromobilität garantiert keinen klimaneutralen Verkehr, sondern maximal eine lokal emissionsfreie Beförderung“. Auch ohne endgültige Daten sollte zumindest so viel Augenmaß erlaubt sein.

(Kommentar)

Foto: Daimler