Exklusiv: Alfa Romeo Giulia GTA

2. Dezember 2016
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Feature

Die Vorgabe, mit Serienautos möglichst verwandte Sportwagen zu bauen, hatte Alfa Romeos verlängerter Motorsport-Arm Autodelta unter der Führung des findigen Ingenieurs Carlo Chiti mit seinem ersten Projekt, der Giulia TZ, ziemlich erfolgreich verfehlt. Außer dem Namen hatte das wunderschöne Ding mit der Serien-Giulia nur Motor, Getriebe und Fahrwerksteile gemeinsam, die 117 handgefertigten Stück waren ebenso herrlich anzusehen und zu fahren wie sie wirtschaftlich desaströs waren – echte Alfa-Legenden eben.

Die von Autodelta überarbeitete Giulia Sprint trägt erstmals das magische Kürzel GTA, das die Marke bis heute für dem Moment leider fallen gelassen zu haben scheint.

Die von Autodelta überarbeitete Giulia Sprint trägt erstmals das magische Kürzel GTA, das die Marke bis heute für dem Moment leider fallen gelassen zu haben scheint.

Trotz des dank staatlicher Dauerinfusion locker sitzenden Geldbörsels gelangt man im Mailander Staatsbetrieb schließlich zur Ansicht, das nächste Projekt sollte nun wenigstens ein Mindestmaß an Breitenwirkung haben und sich in etwa in Rufweite der Serienproduktion bewegen. Der geniale Chassis-Tüftler Chiti findet eine denkbar simple Lösung: Er verpasst Bertones Giulia Sprint Coupé eine äußerlich weitgehend identische Alu-Karosserie, die statt der herkömmlich verschweißten Bleche auf den selbsttragenden Stahlrahmen genietet wird – und damit schon die Namensgebung begründet: Dem GT wird ein A für „alleggerita“ (= erleichtert) hinzugefügt – damit ist eines der prestigeträchtigsten Kürzel der Sportwagen-Geschichte geboren.

Die zusätzlichen Lufteinlässe unterhalb des Kühlergrills und die filigranen Türgriffe sind praktisch schon alle Erkennungsmerkmale, durch die sich die Giulia GTA von der GT unterscheidet. Im Innenraum herrscht da wie dort aufgeräumte Sportlichkeit, allerdings ist das schwarze Bakelit-Lenkrad der Serien-Giulia einem klassischen Holz-Volant mit drei gelochten Speichen gewichen. Dank konsequentem Leichtbau zeigt die Waage gerade einmal 820 Kilo – mehr als 200 weniger als die Giulia GT stemmen muss. Auch unter der Haube ist Weglassen ein Mittel im Dienste des Idealgewichts: Der Bremsservo etwa wird als unnötiger Bauteil erkannt und über Bord geworfen, mit noch leichteren Magnesium-Legierungen im Tausch für Komponenten aus Aluguss geht es gar auf die Suche nach Gewichtseinsparungen hinter dem Komma.

Ein Motor mit großem Potenzial nach oben: Aus den serienmäßigen 115 GTA-PS werden im Renneinsatz bis zu 180, gut für mindestens 220 km/h Spitze

Ein Motor mit großem Potenzial nach oben: Aus den serienmäßigen 115 GTA-PS werden im Renneinsatz bis zu 180, gut für mindestens 220 km/h Spitze

Das wichtigste Detail steckt aber im Motor selbst: Die Doppelzündung, in der Landessparache aufgrund der etwas sperrigen Bezeichnung „accensione a candele in doppio“ schließlich zum Neu-Italienischen „Twin Spark“ vereinfacht. Schon Alfas erster Grand Prix-Wagen von 1914 war zwecks besserer Verbrennung mit zwei Kerzen pro Zylinder ausgerüstet gewesen. Nicht, dass der jemals ein Rennen ge­won­nen hätte – genau genommen hat er nie eins bestritten –, doch schon die Reaktivie­rung dieser hauseigenen Historie folgt der unausweichlichen und sehr italienischen Dramaturgie, die es braucht um neue Legenden wachsen zu lassen.

Dabei ist der Einstieg fast spießbürgerlich: Eine originale Giulia Sprint GTA ist keine Leistungsbestie oder Kurvensau, sondern ein elegantes, flottes Sport-Coupé – nur mit der genetischen Veranlagung zum Rennwagen gesegnet. Der Motor ist drehfre­udig und elastisch, aber akustisch bei aller Kernigkeit relativ unaufdringlich. Ange­nehm macht sich das geringe Kampfgewicht bemerkbar – beim Bremsen noch mehr als beim Beschleunigen, auch die Kurvenkräfte zerren merkbar moderat.

Das für damalige Verhältnisse normal dimensionierte Lenkrad ist gemessen am heutigen Standard gewöhnungsbedürftig groß – die Lenkung wirkt damit indirekter, als sie es tatsächlich ist. Gemeinsam mit dem elends-langen Schalthebel lehrt uns das: Men­schen, die vor fünfzig Jahren wirklich schnell autogefahren sind, hatten Schwerar­beiter-Zulage verdient. Die mit Doppelzündung, höherer Kompression und größeren Vergasern erreichten 115 PS sind jedenfalls absolut glaubwürdig. Erst in den 70er Jahren zeigt die Leistungsstreuung der Giulia-Serien gegenüber den im Typenschein ausgewiesenen PS rapide talwärts – was durchwegs mit entsprechend begeisterter Bedienung des Geräts wettgemacht wurde.

Sport-Stüberl: Das klassische Holz-Lenkrad und der freiliegende Schalttunnel ohne Konsole sind Merkmale der dynamischen Giulia-Variante GTA

Sport-Stüberl: Das klassische Holz-Lenkrad und der freiliegende Schalttunnel ohne Konsole sind Merkmale der dynamischen Giulia-Variante GTA

Die vielen Details, in denen die GTA gegenüber der GT verbessert wird, haben auch Mitte der 60er Jahre schon ihren Preis: Die sportlich abgespeckte und motorisch aufgepeppte Variante kostet fast die Hälfte mehr als eine Serien-Giulia, und wer sich mit dem schlanken Mädel ins Renngeschehen stürzen will, kann gegen gutes Geld noch eines an Leistung erwerben: Bis zu 180 PS sind dem kleinen Motor mit ent­sprechender Zuwendung abzuringen, dazu liefert Autodelta Fahrwerks-Komponenten und Getriebeübersetzungen jeder Auslegung.

Der wahre Erfolg ist aber die Nachhaltigkeit, mit der sich die drei Buchstaben GTA in das ewige Motorsport-Gedächtnis eingraviert haben. Der Triumph der Giulia dauert genau genommen seit 1965 durchgehend an – der Mailänder Renner war so lange für Siege in den unterschiedlichsten Klassen gut, bis er sie volée im historischen Motorsport fortsetzen konnte. Dass bei nur 500 hergestellten Fahrzeugen zwischen 1965 und 1967 und einem vermutlich nicht unerheblichen Prozentsatz von unrett­baren Kaltverformungen letztendlich viele Serien-Giulias die ruhmreichen drei Buchstaben adoptiert haben, darf als natürliche Bereicherung nach unten durchgehen. Und die GTA-Story hat ohnehin noch mehr Kapitel … doch die behandeln wir ein ander Mal.

Daten & Fakten

R4, 8V, 2 Flachstrom-Doppelvergaser Weber 45 DCOE 14, 1570 ccm, 115 PS bei 6000/min, 142 Nm bei 3000/min, Fünfgang-Ge­triebe, Hinterradantrieb; Einzelradauf­hängung v/h, Pendelachse h, Stabi­lisatoren v/h; Scheibenbrem­sen v/h, L/B/H 4080/1580/1315 mm, Radstand 2350 mm, Spur­weite v/h 1324/1274 mm, Reifen­dimension 155 x 15 (155 HR 15), 4 Sit­ze, Tankinhalt 46 l, Leergewicht 820 kg,  0–100 km/h k.A., Spitze 185 km/h

1965–1967

500