Verbrauchs-Spielchen

11. April 2019
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Für 2020 und 2021 hat die EU einen Flottenverbrauch von 95 Gramm CO2 pro Kilometer festgelegt, der in den Jahren danach noch weiter sinken muss. Um diese Ziele zu erreichen, wenden die Hersteller zwei Tricks zu Lasten der Kunden an.

Weil CO2 zur Klima-Erwärmung beiträgt, vergattert die EU-Kommission jeden Industriezweig zur Kohlendioxid-Senkung, besonders kräftig in die Pflicht genommen werden dabei die Autohersteller. Zur Erinnerung: Die CO2-Emission korreliert 1:1 mit dem Spritverbrauch. Um den ab 2020 gültigen Ausstoß von 95 Gramm pro Kilometer nicht zu überschreiten, darf ein Benziner höchstens 4,13 Liter verbrauchen, ein Diesel maximal 3,61 Liter.

Das gilt aber nicht für einzelne Fahrzeuge, sondern für den Durchschnitt der gesamten Flotte eines Herstellers, darum spricht man vom Flottenverbrauch. Zwar kommt die Gesetzgebung schwereren Autos entgegen, dennoch sind die vorgegebenen Werte utopisch – gäbe es nicht die Elektroautos, die lokal gar kein CO2 emittieren. Deshalb präsentieren die Hersteller demnächst eine Elektro-Modell nach dem anderen und wenden dabei gleich den ersten Trick an…

Trick 1: die Elektro-Verzögerung. Die Autobauer wollen viele Stromer verkaufen, aber möglichst nicht vor dem Jahr 2020, denn wer heuer ein Elektroauto kauft, trägt im nächsten Jahr nicht mehr zur Aufmöbelung der CO2-Bilanz bei. Daher heißt es beispielsweise für Käufer des Audi e-tron oder des Kia e-Niro: bitte warten.
Getrickst wird aber auch bei Modellen mit Verbrennungsmotor. Im Zuge der Um-stellung auf den neuen Verbrauchs- und Abgaszyklus WLTP fiel auf, dass die Autos nach Rückrechnung auf den alten Zyklus NEFZ (die Rückrechnung ist notwendig, weil 95 Gramm CO2/km mit dem verbrauchsintensiveren WLTP-Zyklus unmöglich wären) höhere Normverbräuche liefern als zuvor. Die Hersteller haben deshalb herausverhandelt, dass sie zwar für die Neutypisierung von Fahrzeug-Modellen, nicht aber für die Ermittlung der Flottenverbräuche rückrechnen müssen, sondern letztere bis inklusive 2021 weiterin nach NEFZ messen dürfen. Daraus ergibt sich eine kräftige Diskrepanz zwischen tatsächlich gemessenen NEFZ-Werten und jenen, die von WLTP auf NEFZ zurückgerechnet wurden. Was zum nächsten Trick führt…

Trick 2: der unnötig hohe Verbrauch. Der Normverbrauch eines Autos wird grundsätzlich in Richtung des jeweils gültigen Mess-Zyklus optimiert. Bringt wenig in der Realität, ist aber auch nicht illegal und lässt den Sprit-Konsum am Papier besser aussehen. Bis Ende 2021 werden nun aber die Flottenverbräuche nach NEFZ und erst ab 2022 nach WLTP ermittelt. Weil man nicht genau sagen kann, um wieviel die WLTP-Werte dann höher liegen werden, gibt es ab 2022 keine fixen Limits mehr, sondern prozentuelle. Von 2022 bis 2025 muss der Flottenverbrauch gegenüber 2020/21 beispielsweise um 15 Prozent sinken.

Bis Ende 2021 ergibt sich für die Hersteller folgende Interessenslage: Die für den Flottenverbrauch gemessenen NEFZ-Werte sollen niedrig sein, um den Durchschnittswert von 95 Gramm für 2020/21 sicherzustellen. Die für Kundenfahrzeuge ermittelten WLTP-Werte sollen hingegen hoch sein, weil es für sie derzeit eben keinen festgelegten Absolutwert gibt, sondern erst 2022 der Ist-Wert festgelegt wird, von dem in den Folgejahren dann die Senkung um 15 Prozent und später sogar um 37,5 Prozent berechnet wird.

Solche Taschenspieler-Tricks können den meisten EU-Autokäufern egal sein. Aber nicht jenen in Österreich, wo die Normverbrauchsabgabe (NoVA) umso höher wird, je mehr der Normverbrauch steigt. Diese Hersteller-Politik freut hierzulande im Moment nur einen, nämlich den Finanzminister.

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